Anonym - Briefe der Lust
Lippen hätten immer noch ein wenig Gloss gebrauchen können, aber alles in allem war der Anblick nicht schlecht.
Ich wandte meinen Kopf von links nach rechts und stellte mir stärkeres Make-up und einen Lederoverall vor. Eine Peitsche in meiner Hand. Stiefel mit Sporen. Diese Gedanken machten mich auch nicht mehr an als die Vorstellung, mit gefesselten Händen auf den Knien zu liegen. Ich strich mir mit einer Hand über die Haare, um einzelne Strähnen, die sich gelöst hatten, aus dem Gesicht zu wischen. Ich sah nicht aus wie eine Domina. Was aber war ich dann?
Es war zu früh, um verletzt zu sein, dass Eric noch nicht nach meiner Telefonnummer gefragt hatte. Wir hatten zwei Pseudoverabredungen gehabt, aber es gab keine Hinweise, dass er sexuelles Interesse an mir hatte. Bis jetzt wusste ich nicht mehr über ihn, als dass es ihm gefiel, Befehle von jemandem zu bekommen, den er nicht kannte. Und dass ich ihn sehr mochte.
Und wie ich dafür sorgen konnte, dass auch er mich mochte.
25. KAPITEL
„Paige. Hallo.“
Ich hatte mich bemüht, genau im richtigen Moment in die Halle zu treten, und war dankbar gewesen, dass niemand sonst in das Gebäude hineinging oder herauskam, sodass ich nicht dabei beobachtet wurde, wie ich in der Nähe des Eingangs herumlungerte und versuchte, die Fahrstühle im Blick zu behalten. Es war mir gelungen, so lange herumzutrödeln, dass ich der einzige Mensch in der Lobby war, als Eric aus dem Aufzug kam. Er schaute sich um und strahlte, als er mich sah. Möglicherweise vor Erleichterung. Aus Dankbarkeit.
Ich wünschte mir, es möge Verlangen sein.
„Eric. Hi.“ Ich bin keine Schauspielerin, also versuchte ich auch nicht, so zu tun, als würde ich mich nicht über sein Auftauchen freuen. „Wohin geht’s?“
„Oh, nur …“ Er fing nicht direkt an zu stottern, aber er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen, zuckte die Schultern und lächelte. „Ich habe heute Abend frei. Konnte nicht schlafen.“
Ich schaute auf die große Wanduhr, die gegenüber vom Kamin hing. „Es ist erst halb zwölf. Noch ziemlich früh.“
„Ja. Nun, ich muss früh zur Arbeit, also habe ich versucht, brav zu sein.“
Ich war noch nie schüchtern gewesen, wenn es darum ging, meine Wünsche zu erfüllen. Und ich hatte beschlossen, dass ich ihn wollte. „Du warst also brav?“
Ich sah zu, wie seine Kehle sich zusammenzog, als er schluckte, und genoss das plötzliche Leuchten in seinem Blick. Ich wusste, welchen Befehl er erhalten hatte, aber nun konnte ich miterleben, wie er ihn ausführte, und mein Körper reagierte prompt. Meine Nippel wurden hart, und ich unterdrückte einen Seufzer, als ich spürte, wie mein Körper sich an meinem Höschen rieb, als ich mich bewegte.
„Ich habe es versucht“, erklärte er.
Ein Flirt ist wie ein Tanz, selbst wenn man sich nicht bewegt.
„Und es ist dir nicht gelungen?“
Sein leichtes Lächeln lenkte meine Aufmerksamkeit auf seine wunderbar volle Unterlippe. „Ich fürchte nicht.“
„Böser Junge.“ Ich säuselte oder schnurrte nicht. Das war nicht nötig.
Erics dunkle Augen funkelten. „Das bin ich wohl.“
Die Veränderung in seinem Blick war kaum wahrnehmbar, aber ich hatte darauf gewartet. Ich wusste, wie sein Auftrag lautete und fragte mich, wie er ihn wohl umsetzen würde. Aber gleichzeitig wünschte ich mir, ich hätte es nicht forciert. Hätte ihn nicht in meine Arme getrieben.
„Nun, es ist spät“, bemerkte ich, um ihn zu necken. „Ich fahre besser nach oben. Ich sterbe vor Hunger.“
Eric folgte mir zum Fahrstuhl. „Worauf hast du Appetit?“ Ich wandte mich zu ihm um. „Auf einen Eisbecher.“
„Ich habe Eiscreme. Und Karamellsoße. Und ich habe sogar diese ekligen Kirschen.“
Ich lächelte über den glücklichen Zufall. „Tatsächlich?“
„Tatsächlich.“ Eric nickte langsam, während sein Blick über meine Schulter hinweg zum Aufzug wanderte, dessen Tür sich soeben öffnete. „Hast du Lust, mit zu mir zu kommen? Ich mache dir einen Eisbecher.“
Ich bewegte mich rückwärts in Richtung Fahrstuhl, und er folgte mir, als würde ich ihn an einer Strippe ziehen. Oder an einer Leine. „Warum sollte ich das tun?“
„Weil es viel mehr Spaß macht, wenn man das Eis zu zweit isst?“
Ich lachte über seine Antwort. „Na gut. Ich habe sowieso nur Diätriegel mit Karamellgeschmack. Ein richtiger Eisbecher wäre mir lieber.“
Er folgte mir in den Fahrstuhl und sah zu, wie ich den Knopf für sein Stockwerk drückte.
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