Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anonym - Briefe der Lust

Anonym - Briefe der Lust

Titel: Anonym - Briefe der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
Vom Netzwerk:
bezeichnenden Blick auf das Schwarze Brett an der Wand hinter mir warf, wandte ich mich um. Ich überflog die Zettel, die dort hingen, und nickte. „Oh. Der Job in der Marketingabteilung? Nein. Ich habe denen schon erklärt, dass ich nicht interessiert bin.“
    Meine Worte ließen sie stutzen. „Sie haben das Angebot erst vor zehn Minuten aufgehängt, Paige.“
    Okay, offensichtlich gehörte Brenda nicht zu den Kandidatinnen, die in die Vorauswahl gekommen waren. Ich tat, als würde ich genauer hinsehen. „Oh, der neue Job. Nein, ich glaube nicht. Ich bin da glücklich, wo ich bin.“
    Sie stieß einen dieser Laute hervor, den Leute machen, wenn sie dir nicht glauben, es aber nicht direkt sagen wollen. „Ich denke, ich werde mich bewerben. Auf jeden Fall ist das Gehalt viel höher. Und ich könnte wetten, die Sozialleistungen sind auch gut.“
    „Es ist eine Menge Verantwortung, Brenda.“ Gemeinsam gingen wir den Flur zu unseren Büros entlang, blieben aber dort stehen, wo die Gänge sich kreuzten. Vielleicht hatte ich Glück, und Brenda würde durch irgendetwas abgelenkt, sodass ich diese peinliche Unterhaltung beenden konnte.
    So früh am Morgen war auf den Fluren nicht viel los, nicht einmal vor den Räumen, wo die Kopierer standen oder in Richtung Pausenraum, wo sich immer irgendjemand aufhielt. Sie zuckte mit den Schultern und schob sich den Riemen ihrer Tasche höher auf die Schulter.
    „Ich glaube, das könnte ich bewältigen. Denkst du nicht?“ Ihre Augen wurden schmaler. „Ich habe gehört, sie brauchen mehrere Leute. Nicht nur einen.“
    Ich lachte, um sie zu beruhigen. „Ich habe wirklich kein Interesse.“
    Ihre Schultern hoben sich fast unmerklich, als sei ihr eine nicht allzu schwere Last genommen worden. „Ich werde mich bewerben. Mein Süßer sagt auch, ich soll es auf jeden Fall machen. Er sagt, er hätte nichts dagegen, sich ein paar Jahre früher zur Ruhe zu setzen.“
    Das schien mir der dümmste Grund zu sein, einen neuen Job anzunehmen, aber ich hielt meinen Mund. „Viel Glück.“
    „Danke.“ Sie nickte und eilte davon, blieb dann aber doch noch einmal stehen. „Heute beim Lunch?“
    „Ich kann nicht. Ich muss durcharbeiten, damit ich früher gehen kann.“ Obwohl ich ihre Neugierde erkennen konnte, gab ich keine weitere Erklärung ab.
    Natürlich war Paul schon im Büro, als ich dort ankam. Ich hängte meine Jacke und meine Handtasche am Garderobenständer auf und fuhr meinen Computer hoch. Dann ging ich zur Kaffeemaschine, um sie anzustellen. Der Kaffeeduft lockte ihn gewöhnlich aus seiner Höhle, wenn er sich nicht schon auf dem Weg zur Arbeit eine Dosis Koffein verschafft hatte. Da ich aber ohnehin mit ihm sprechen musste, machte ich seine Tasse fertig und klopfte an seine Tür.
    „Paul? Ich muss …“ Ich blieb direkt hinter der Tür stehen, weil ich im ersten Moment glaubte, er sei nicht da.
    Er hatte die Rollos nicht wie sonst nur halb, sondern ganz hinuntergezogen. Die Deckenlampen waren wie gewöhnlich aus, aber an diesem Morgen hatte er auch die Schreibtischlampe nicht eingeschaltet. Das einzige Licht im Zimmer kam vom blauweiß leuchtenden Monitor seines Computers. Ich blinzelte, während meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, und als ich das Glänzen von Pauls Augen wahrnahm, bemerkte ich erst, dass er tatsächlich an seinem Schreibtisch saß. Er trug sein Jackett, seine Krawatte war ordentlich gebunden, sein Hemd verblüffend weiß im Dämmerlicht, das im Zimmer herrschte. Als ich eintrat, streckte er sofort die Hand aus, um die Schreibtischlampe anzuknipsen, doch selbst sein Lächeln konnte mich nicht davon überzeugen, dass alles in Ordnung war.
    Ich verschüttete den Kaffee nicht, stellte ihn aber mit einer so heftigen Bewegung auf die Ecke seines Schreibtischs, dass er überschwappte. Anschließend ging ich um den Schreibtisch herum und kniete mich vor Paul hin, der sich in seinem Drehstuhl umwandte, um mich anzustarren. Ohne nachzudenken, griff ich nach seinen Händen, und er ließ es zu. Seine Finger fühlten sich zwischen meinen stark, warm und schwer an.
    „Was ist los, Paul?“
    „Ich schaffe es nicht, dass diese Zahlen einen Sinn ergeben“, erklärte er ruhig. Für einen kurzen Moment umklammerten seine Finger meine fester, es war wie ein Zucken.
    Sanft erwiderte ich den Druck. „Möchten Sie, dass ich einen Blick darauf werfe?“
    „Nein“, lehnte er mein Angebot ab. „Ich muss einfach nur noch ein paar Minuten hier sitzen, um die Sache

Weitere Kostenlose Bücher