Anonym - Briefe der Lust
bückte mich sofort danach und hoffte inständig, dass nichts kaputtgegangen war.
Paul war bereits um seinen Schreibtisch herumgeeilt. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Paige?“
„Ja, es ist nur … Ich habe da irgendetwas in meinem Bein. Ich glaube, es ist ein Splitter.“
Der kleine Schreibcomputer war zum Glück nicht beschädigt. Ich stellte ihn auf den Konferenztisch seitlich von Pauls Schreibtisch. An meiner Wade rann es warm hinunter, und ich reckte meinen Kopf nach hinten, um zu sehen, was das war. Blut.
„Nichts ist in Ordnung. Sie bluten. Rühren Sie sich nicht von der Stelle.“ In Pauls Büro lag ein beigefarbener Teppich. Er wollte offensichtlich nicht, dass ich ihn schmutzig machte, also blieb ich während der dreißig Sekunden, die er brauchte, um eine Handvoll Papiertaschentücher von seinem Schreibtisch zu holen, bewegungslos stehen.
Er hätte mir die Tücher reichen sollen, damit ich mich selbst um meine Verletzung kümmern konnte. Ebenso wie Komplimente zu meinem Aussehen und eine Einladung zum Essen war es wahrscheinlich für einen Chef völlig unangebracht, meine Wunden zu versorgen. Warum protestierte ich also nicht, als Paul mir sagte, ich solle mich mit den Händen auf den Tisch stützen? Oder als er sich auf den hübschen beigefarbenen Teppich kniete und mit dem weichen Papiertuch von einer Stelle direkt über meinem Fußgelenk bis hinauf zu meiner Kniekehle strich?
Ich sagte nichts, weil ich keinen Ton herausbrachte. Ich rührte mich nicht, weil meine Finger sich zwar auf der polierten Tischplatte krümmten, aber jede andere Bewegung verweigerten. In der Politur spiegelte sich undeutlich mein Bild, und ich sah das erstaunte Oh, zu dem ich meinen Mund verzogen hatte, und die Bögen meiner hochgezogenen Augenbrauen. Aber ich bewegte mich nicht, und ich sagte nichts.
„Da“, sagte Paul mit leiser Stimme. Durch das Papiertuch spürte ich die Wärme seiner Finger, die sich gegen meine plötzlich kühle Haut pressten. „Ich sehe es. Bewegen Sie sich nicht, Paige. Ich suche eine Pinzette.“
Ich hatte meine Hände so weit zur Tischmitte hin aufgestützt, dass ich mich ein wenig vorbeugen musste. Ich wagte nicht, mir vorzustellen, wie ich aussehen mochte – mein Rock war bis über die Hälfte meiner nackten Schenkel hochgeschoben, und mein Gesicht glühte.
„Es ist ein großer Splitter“, erklärte Paul gleich darauf. „Halten Sie still.“
Ich presste die Lippen zusammen und unterdrückte einen Aufschrei, als mich das kalte Metall der Pinzette berührte. Paul legte die Hand um mein Knie und hielt es fest, während er stocherte und zog.
Ich spürte, wie der Splitter aus meinem Fleisch glitt und wie das Blut, das vorher nur getröpfelt war, nun als Rinnsal an meinem Bein hinunterlief. Hastig kniff ich die Augen zusammen, damit ich das verschwommene Bild der Frau auf der glänzenden Tischoberfläche nicht mehr sehen musste. Dieses erhitzte Gesicht mit einem Ausdruck, von dem ich sicher war, dass meine Liebhaber ihn so schon gesehen hatten, ich jedoch niemals zuvor.
Wieder wischte Paul mit dem Tuch das Blut fort. Ich hörte Papier knistern und spürte, wie seine Finger etwas auf meiner Haut glattstrichen. Ein Heftpflaster. Die Klebefläche zog an den kleinen Härchen, die es mir nie gelang zu rasieren. Dann war da an jener verborgenen Stelle in meiner Kniekehle ein sachtes Streicheln mit den Fingerspitzen, so flüchtig, dass ich nicht sicher war, ob ich es mir eingebildet hatte.
„Fertig.“
Ich wandte mich um. Paul war bereits zurückgetreten. In einer Hand hielt er die Pinzette, in der anderen die zerknüllte Verpackung des Pflasters.
Ich machte keinen Versuch, mich zu recken, um sein Werk zu betrachten. „Danke.“
Seine Wangen leuchteten dunkelrot. „Kein Problem.“
Bevor er noch irgendetwas sagen konnte, griff ich nach dem AlphaSmart und verließ ohne ein Nicken sein Büro.
Abends im Bett dachte ich beim Einschlafen an zwei Dinge. Die eine Sache war die glatte, teure Karte und die wunderschöne Handschrift, mit der sie beschrieben war. Ich wollte dieses Papier und diesen Füller, ganz gleich, was es kostete.
Die zweite Sache war das Gefühl, das Pauls Fingerspitzen, die sachte meine Kniekehle berührten, in mir ausgelöst hatte.
9. KAPITEL
Mein Montagabendtermin beim Gynäkologen verlief so gut, wie man es angesichts der Tatsache, dass ich beide Beine in die Luft streckte und meinen Hintern zur Ansicht präsentierte, nur erwarten konnte. Ich wog weniger als bei
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