Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
obwohl ich nicht an den Himmel glaube, wäre es für mich die Hölle, den Rest meines Daseins in
einem Zombie-Zoo zu verbringen. Also bin ich, was mich betrifft, der Hölle gerade entkommen. Und da ich meine Eltern bereits zerstückelt und ihre Körperteile in Gefrierbeutel gestopft habe, weiß ich nicht, warum es die Sache noch schlimmer machen soll, wenn ich sie verspeise.
Schließlich bin ich ein Zombie.
Zunächst muss ich allerdings herausfinden, wie man Menschenfleisch zubereitet. Wie Rind? Wie Huhn? Oder eher wie Schwein? Wie Känguru? Oder wie Strauß? Und welche Teile schmecken am besten?
Im Kochbuch meiner Mutter, im Abschnitt über Fleisch, steht, dass man die zarten von den weniger zarten Stücken unterscheiden kann, wenn man berücksichtigt, dass Belastung und Alter Fleisch fester werden lassen. Die am stärksten beanspruchten Teile - Beine, Nacken, Schultern, Hinterteil und Flanken - sind sehr viel fester als die weniger beanspruchten Rippen und Lenden.
Ich schätze, dass Menschenfleisch mehr Ähnlichkeit mit Rind hat und weniger mit Schwein, Nutztieren oder Wild. Kühe sind sehr viel größer, sicher, aber wenigstens haben die Körperteile ganz ähnliche Namen.
Das Teilstück des Kamms reicht vom Nacken bis zur fünften Rippe und umfasst die Schulterblätter und den Oberschenkel. Aus dem Schulterblatt macht man Bratenfleisch, Steaks, Schulterstücke, falsches Filet und natürlich Nackensteaks. Aus dem Oberarm Hochrippen, Schulterbraten und Querrippen.
Ich entscheide mich für die Rippe. Erstens habe ich Appetit darauf. Zweitens müsste ich die Lendchen erst auftauen. Und drittens: Wenn ich die Oberkörper meiner Eltern nicht bald verzehre, verderben sie. Und verwestes Menschenfleisch riecht anders als normale Essensreste.
Wer noch nie mit einem halben Dutzend lebender Leichen in verschiedenen Stadien des Verfalls mehrere Stunden in einem geschlossenen Raum verbracht hat, kann das wahrscheinlich nicht verstehen.
Es war offensichtlich leichter, meine Mutter in den Kühlschrank zu befördern, als sie herauszuholen. Es wäre sinnvoll gewesen, einen der Arme dran zu lassen, um etwas zum Anfassen zu haben, doch da ich nicht so vorausschauend war, muss ich mich mit einer zweizackigen Grillgabel und einer Zange begnügen.
Laut dem Kochbuch gart man das Rippenfleisch am besten bei großer Hitze, indem man es röstet, brät oder grillt. Rösten scheint mir am einfachsten zu sein, also schalte ich den Ofen an, ziehe das Blech heraus und sprühe es mit Kochspray ein, um sicherzugehen, dass meine Mutter nicht daran kleben bleibt.
Ich mustere ihren Oberkörper, der auf einem großen Holzblock auf der Arbeitsfläche liegt, dann schnappe ich mir das Fleischermesser, beuge mich über den zerstückelten Körper und überlege, wo ich anfangen soll und ob ich ihr nicht wenigstens mit einer kleinen Zeremonie oder einem Ritual die letzte Ehre erweisen soll. Bevor ich jedoch das Messer ansetzen kann, kommen aus dem Weinkeller Schritte die Treppe herauf, und ich fahre herum, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Rita im Türrahmen erscheint.
»Was gibt’s heute zum Abendessen?«
KAPITEL 38
Rita und ich hocken bei Kerzenlicht am Küchentisch und lassen es uns schmecken. Die Kerzen sind bereits zur Hälfte runtergebrannt, und den 1978er Mondavi Cabernet Imperial Reserve haben wir ebenfalls bereits zur Hälfte geleert. Laut der Liste meines Vaters ist er 300 Dollar wert.
Da ich zum Dezembertermin der Welttodestour auf dem Holy Cross Cemetery nicht erschienen bin, haben sich Rita und die anderen Sorgen gemacht; also hat Rita, als sie wieder zu Hause war, sich davongeschlichen, um nachzusehen, ob mit mir alles Ordnung ist. Ich hätte es auch genossen, meine Eltern alleine zu verspeisen, aber diese Erfahrung mit jemandem zu teilen macht sie zu etwas ganz Besonderem.
Zu den Rippchen - die Rita mit einer selbst gemachten Soße aus Zitronensaft, Worcestershire Sauce und Dijon-Senf bestrichen hat, durch die der natürliche Geschmack meiner Mutter erst so richtig zur Geltung kommt - haben wir eine Artischocke und etwas Reis gedämpft, anschließend das Licht ausgeschaltet und die Kerzen angezündet. Und um unsere Mahlzeit abzurunden, habe ich was von Billie Holiday aufgelegt.
Als wir uns dann schließlich an den Tisch gesetzt haben, dachte ich, dass ich vielleicht zögern würde bei dem Gedanken, meine Mutter zu verspeisen. Ödipus-Komplex mal
beiseite, doch so etwas kommt dir absolut nicht in den Sinn, wenn du dir
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