Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
werden wir uns mit dem Zoo in San Francisco in Verbindung setzen und eine Vereinbarung treffen, damit du dort unterkommst und das Geld verdienst, das du uns schuldest.«
Ein Zombie-Zoo. Das ist noch schlimmer als eine Forschungseinrichtung. Dort wird man wenigstens für irgendwelche
hehren Ziele zerstört. Doch der Zombie-Zoo raubt dir das letzte bisschen Würde, das dir noch geblieben ist. Du wirst dort zur Schau gestellt, so dass jeder dich beschimpfen kann, und verbringst den Rest deines Daseins damit, langsam zu verwesen, bis von dir nichts weiter übrig ist als Haut und Knochen. Ich habe gehört, dass die Atmer im Zombie-Zoo sogar ein präpariertes Stück Zombie als Souvenir mit nach Hause nehmen können.
Ich stehe auf und lasse meine Schreibtafel auf dem Tisch liegen, dann schlurfe ich Richtung Keller; mein Vater hält mir die Tür auf und wartet darauf, dass ich vorbeigehe. Ich blicke ihm in die Augen und hätte es fast geschafft, es mir zu verkneifen, doch dann stoße ich die Worte hervor, die ich schon die ganzen letzten sieben Monate sagen wollte.
»Fick dich, Dad.«
Hinter mir in der Küche zerspringt ein Glas auf dem Boden.
Mein Vater starrt mich mit offenem Mund an, und der selbstbewusste Ausdruck in seinem Gesicht macht Verunsicherung Platz. Vielleicht war es ein Fehler, ihm zu zeigen, dass ich sprechen kann. Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es sich lohnt zu sehen, wie sich ein Anflug von Furcht über seine selbstgefällige Visage legt.
Ich werfe erneut einen kurzen Blick zu meiner Mutter, die mit dem Schwamm in der Hand inmitten von Glassplittern dasteht, dann steige ich hinab. Sobald ich die zweite Stufe berühre, wird hinter mir die Tür zugeschlagen und verriegelt. Ich höre, wie meine Mutter auf der anderen Seite zu schluchzen beginnt.
Unten im Weinkeller hocke ich mich auf meine Matratze und frage mich, was jetzt wohl mit mir geschehen wird. Gerade habe ich angefangen, mich wieder als lebendig und
zugehörig zu empfinden, als jemand mit Selbstwertgefühl, und jetzt soll mir alles genommen werden - meine neuen Freunde, meine neue Existenz, Rita. Alles.
Und bevor ich es mich versehe, tue ich etwas, das ich nicht mehr für möglich gehalten habe.
In meinen Tränenkanälen bildet sich Flüssigkeit und tropft mir aus den Augen, läuft mir die Wangen hinunter, über mein Make-up und die verheilenden Narben. Zuerst muss ich lachen, aus Freude darüber, dass ich weine, doch dann fällt mir ein, worüber ich so unglücklich bin, und ich weine noch heftiger.
Ich bin ein Überlebender. Ich bin ein Überlebender. Ich bin ein Überlebender.
Ich weiß, ich sollte nicht hier herumsitzen und wütend sein oder mich selbst bemitleiden. Ich sollte mir überlegen, wie ich verhindern kann, dass man mich in den Zoo verfrachtet. Stattdessen öffne ich einen 2002er Kistler Pinot Noir von der Sonoma Coast und nehme einen Schluck.
KAPITEL 37
Es ist kurz nach Mitternacht an einem frühen Dezembermorgen, und ich stehe in der Küche, inmitten einer Lache aufgetauter Tiefkühlprodukte und lausche einer CD mit Weihnachtsmusik - mein Magen ist leer und die Kühlkombination mit meinen Eltern gefüllt.
Nicht gerade ein Moment, den man für die Nachwelt festhalten möchte.
Auf dem CD-Spieler läuft Frank Sinatra mit »White Christmas«.
Ich glaube, hier sind wir mit der Geschichte eingestiegen.
Ich kriege allerdings immer noch nicht zusammen, was passiert ist. Oder wie ich ins Haus gekommen bin. Die Tür zum Weinkeller steht offen, doch ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, was geschehen ist, nachdem ich die dritte Flasche Wein geöffnet habe, ich glaube, einen 1995er Barbaresco aus Italien.
Ich habe auch keine Ahnung, wie ich das alles überhaupt geschafft habe, wenn ich bedenke, dass mein linker Arm nur zu knapp fünfzig Prozent einsatzfähig ist. Ich muss sie irgendwie überrascht, auf dem falschen Fuß erwischt haben. Vielleicht habe ich meine Mutter dazu überredet, die Kellertür zu öffnen. Vielleicht bin ich nach draußen gegangen und durch ein unverriegeltes Fenster wieder reingeklettert.
Aber das spielt jetzt wohl keine Rolle mehr. Entscheidend ist nur, dass ich es plötzlich mit einem weitaus größeren Problem zu tun habe, als unter Hausarrest gestellt oder an den Zombie-Zoo verkauft zu werden.
Damit klarzukommen, dass ich meine Eltern getötet habe, ist schon schlimm genug, auch ohne dass ich mir den Kopf darüber zerbrechen muss, wie ich die Beweise beseitigen soll. Nicht dass
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