Anruf aus Nizza
müssen. Es ist grauenhaft. Und bei jeder erfundenen Antwort, die sie dem Reporter gab, erlebte sie die Katastrophe mehr, sie sah nun wirklich die Trümmer des Schiffs durch die Luft wirbeln, sah Blut und tote Menschen, sah die gurgelnden Wasserstrudel, glaubte die Hitze des lodernden Brandes zu spüren.
Sie war beinahe am zusammenbrechen, als Giulio kam und den Reporter hinauswarf.
»Um Gottes willen«, sagte er. »Hoffentlich haben Sie ihm nichts verraten.«
»Nichts«, murmelte Monika. Es ekelte ihr vor sich selbst. »Nichts. Ich habe ihm eine Katastrophe erzählt, mit der er zufrieden sein kann.«
Giulio erkannte, daß sie sich nahe einem Zusammenbruch befand.
»Bleiben Sie ganz still, Madame. Es kann Ihnen nichts geschehen, solange, ich bei Ihnen bin. Die Gespräche laufen. Einmal mit Klinik, einmal mit Ried. Bittä, wir müssen warten.«
Sie schloß die Augen. Unfaßbar der Gedanke, nun bald Roberts Stimme zu hören, ihm sagen zu können, daß sie lebte, daß alles gut war.
Es wurde heftig an die Tür geklopft. »Das Telefon, ein Gespräch aus Deutschland!«
Guilio lief hinaus auf den Korridor, wo das Telefon stand, Monika folgte ihm, ihre Knie versagten fast den Dienst. Sie hörte Giulio laut reden.
»Hallo! Ja, wir sind sprechbereit... bittä, hier spricht... wer? Oh, Monsieur Berckheim... eine Augenblick, hier kommt Madame...«
Monika hatte Tränen in den Augen. Sie sah Tino Moreno nicht, der den Reportern den Weg zum Korridor freigab. Sie sah Giulio nicht, der ihr lächelnd den Hörer hinhielt. Sie sah nicht die Blitzlichter, die von allen Seiten aufflammten. Vor ihren Augen schwankte alles hin und her.
Sie spürte den Hörer in ihrer Hand.
»Robert!«
Es war ein Schrei, ein Angstschrei.
Und dann hörte sie ihn. Er sagte nur ein Wort.
»Moni...«
Tino fing sie auf, ehe sie ohnmächtig zu Boden glitt. Und Giulio beendete das Gespräch, höflich wie ein Weltmann, wie ein guter Freund der Familie Berckheim.
»Bittä, Herr Doktor, Frau Gemahlin ist so erschöpft, Freude hat sie übergewältigt. No, no! Nix krank, sonst alles ganz gesund. Nur erschöpft, serr erschöpft, natirlich. Bittä? Herkommen? Aber natirlich, ist Reise heut oder morrgen nicht gut für, Madame. Ich werde sehen, Herr Doktor, wie ist mit Flugzeug, vermutlich nach Neapel. Wir dort auch mit Flugzeug, kann sein auch mit Schiff. Werde alles überlegen und Herrn Doktor noch mal anrufen, ja, bald. Wie bittä? Ja, ich denke ist alles organisiert in zwei Stunden. Nix zu danke, Herr Doktor.«
Er hängte ein und half Tino, Monika in ihr Zimmer zurückzubringen. Die Reporter ließen sich keine Aufnahme entgehen. Auch das Telefongespräch hatten sie mitgeschrieben, und wenig später wußten sie, vom Hotelier gegen schweres Geld erworben, die beiden Telefonnummern in Deutschland.
*
So sehr hatte sich Robert auf den Tod seiner Frau eingestellt, daß ihn die Nachricht von ihrer Rettung, ihre eigene Stimme, beinahe umgeworfen hätte. Sekundenlang blieb er unbeweglich vor dem Telefon stehen, konnte nicht fassen, was soeben geschehen war.
Ihre Stimme!
Robert! hatte sie gesagt, nur dieses eine Wort, aber es war ihre Stimme gewesen, sie lebte!
Noch immer wie benommen kehrte er in die Bibliothek zurück.
Zwei Augenpaare starrten ihn erwartungsvoll an. Er wollte etwas sagen, seine Lippen bewegten sich, er mußte sich räuspern.
»Monika«, sagte er heiser. »Monika hat mit mir gesprochen... sie lebt.« Er sank auf seinen Sessel, stützte die Ellenbogen auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen. »Sie lebt...«, stammelte er, »sie lebt... Monika...«
Eine Weile war es still im Raum, nur Roberts schwerer Atem war zu hören.
»Ich muß hin«, sagte er. »Sofort. Ich möchte noch heute abend fliegen. Mama, kannst du meinen Koffer...«
»Natürlich. Wir werden uns erkundigen, wann ein Flugzeug geht. Oh, mein Junge, ich bin so froh... jetzt scheint es mir, als hätte ich nie gezweifelt, daß sie noch am Leben ist.«
Irene dachte nach: Nun war also wieder einmal alles vorbei. Wieder ein Traum in nichts zerronnen. Sie war so sicher gewesen, sich diesen Mann zu erobern, den Mann, das Schloßgut und alles.
Kalte, berechnende Wut packte sie.
Mit einem glücklichen Strahlen in ihren blauen Augen trat sie vor Robert.
»Ich... ich freue mich so sehr für Sie, Herr Doktor. Darf ich Ihnen die Telefonate mit den Fluggesellschaften abnehmen?«
»Ja«, sagte er verwirrt. »Ja, bitte, das ist sehr freundlich von Ihnen.«
Wenige Minuten
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