Anruf vom Partner
telefonieren, wo der Mord angeblich stattgefunden haben soll. Und ich würde nach dem Beamten fragen, der für den Mord an Vanessa Quayle zuständig ist. Und dann würde man mir sagen: ›Nun mal schön der Reihe nach‹, oder was immer die Polizei drüben sagt, wenn sich jemand nach einem Mord erkundigt, von dem sie noch nie gehört hat. Und das, Poet, das wär's dann.«
»Aber die würden doch bestimmt nicht am Telefon mit Ihnen reden.«
»Sie würden mir erzählen, daß sie nie von einem Mordopfer namens Vanessa Quayle gehört hätten.«
Er sinnierte. Er sagte: »Ich werde mich nicht genau dazu äußern, wo es passiert ist.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wenn irgend jemand da einen Schwindel wittert, braucht er lediglich den IQ eines Joggers, um die Nuß an einem einzigen Tag zu knacken.«
Er schniefte ein paarmal. Aber dann sagte er: »Sie sind der Experte. Was würden Sie empfehlen?«
»Ist mir ein Vergessen Sie's !‹ gestattet?«
»Nein«, sagte er. Er ließ die rechte Hand unter sein Hemd gleiten und klopfte sich damit auf die Brust. Eine Andeutung seines flatternden Herzens.
»Ihre einzige Chance besteht darin, daß niemand fragt: ›Ist diese Geschichte wahr?‹«
»Mmmh…«
»Also überschütten Sie Ihr Publikum mit Einzelheiten. Sagen Sie Ihrer Schwester, sie soll einen Drucker engagieren, um Ihnen eine Zeitungsseite mit einer Todesanzeige zurechtzumachen. Arrangieren Sie Telefonanrufe, in denen irgendwelche Leute ihr Beileid aussprechen. Briefe von Anwälten wegen des Nachlasses Ihrer Frau. Alles, was Ihnen in dieser Hinsicht in den Sinn kommt.«
»Ich verstehe.«
»Gehen Sie zur Beerdigung?«
»Ganz bestimmt nicht. Die Beerdigung hat bereits stattgefunden. Vanessas Mutter wird mir das morgen erzählen, und ich werde sehr aufgeregt sein, weil ich natürlich zurückgeflogen wäre. Charlotte wird mir kondolieren.«
»Okay, dann sorgen Sie dafür, daß Sie ein Telegramm wegen der Beerdigungskosten kriegen. Ein Fax vom Testamentsvollstrecker Ihrer Frau, in dem er anfragt, ob Tante Edna die gehäkelte Tagesdecke haben kann, die sie immer so gern mochte.«
»Verstehe«, sagte er.
»Fragen Sie die Leute hier um Rat. Sollen Sie ihren Verwandten helfen? Sehen Sie zu, daß das Spiel auf Ihrem Territorium bleibt. Das ist Ihre einzige Chance.«
Er nickte heftig. »Das ist klasse, Albert. Sie haben mir ein paar gute Ideen in den Kopf gesetzt.«
»Gehört alles zum Service«, sagte ich. Ich dachte darüber nach, ob ich der ›beeindruckenden‹ Liste meines Leistungsangebots eine neue Eintragung hinzufügen sollte. Falls ich einen passenden Namen für diesen Service fand.
Mein Klient erhob sich. »Ich gehe jetzt nach Hause und schmiede ein paar Pläne.«
Und sowenig ich mir diese sonntägliche Störung gewünscht hatte, so hatte ich doch, als er fort war, alle Mühe, ruhig da weiterzumachen, wo ich unterbrochen worden war. Der Gedanke an das, was er da vorhatte, gefiel mir noch immer nicht. Aber der Gedanke an noch mehr Buchhaltung stimmte mich auch nicht heiterer. Schon gar nicht, solange die Sonne noch schien.
13
Die Nacht schien schlagartig hereinzubrechen, mit einem Schlag, der mich voll im Genick traf. Allein daß ich lebte, war mir unerträglich. Es gab nichts, was ich tun wollte. Das letzte auf der Welt, was ich sein wollte, war ein Packen-wir's-an-Detektiv. Oder irgendeine andere Art von Detektiv. Oder ein Oberligawerfer beim Baseball: so schlimm stand's um mich.
Ich hasse es, wenn ich instinktive Wahrnehmungen habe und sie nicht klarkriege.
Ich wünsche mir dann einen Zauberstab, mit dem ich die Zeit anhalten kann. Um mir mal in Ruhe die Fußnoten des Lebens anzusehen.
Aber das funktioniert nie.
Die Zeit schlich weiter, und nach zwanzig zutiefst unbehaglichen Minuten rang ich mich endlich zu etwas Konstruktivem durch: Ich machte eine Liste mit allen Dingen, die ich nicht tun wollte.
Dann beschloß ich, meiner Tochter einen Brief zu schreiben.
Ich holte mir einen Bogen Papier. Ich füllte meinen Füllfederhalter.
Aber ich legte nicht los. Statt dessen saß ich da und kritzelte vor mich hin und fragte mich, wo sie wohl war. Ich wußte nichts von ihr, außer daß sie, als sie sich von ihrem Bildhauer trennte, Frankreich verlassen hatte und nun irgendwo anders in Europa war. Ich konnte in die Schweiz schreiben, wo ihre Mutter lebte, seit… seit einer Ewigkeit. Seit sie ihren phantastischen Ehemann geheiratet hatte, seit sie den alten, schlichten abgestreift
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