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Anruf vom Partner

Anruf vom Partner

Titel: Anruf vom Partner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
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leid, wenn ich Sie in Ihrer religiösen Andacht störe, alter Knabe, aber das Schicksal hat an die Tür gepocht, und jemand muß ihm auftun.«
    Ich trat an meinen Schreibtisch, den Arbeitsplatz eines Das-machen-wir-ganz-lässig-Detektivs. »Hm, ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich werde tun, was ich kann, innerhalb vernünftiger Grenzen natürlich, um Ihnen zu helfen.«
    »Das ist eine große Erleichterung für mich.« Er sah mich durchdringend an. »Vielen Dank«, sagte er.
    »Also, was ist passiert?«
    »Morgen muß der Todestag sein. Morgen werde ich die Tat vollbringen.«
    »Warum gerade morgen?«
    »Charlottes Kinder waren beide das ganze Wochenende über auf Besuch vom College zu Hause, und sie hatten beide Freunde dabei.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Plötzlich ist Charlotte fahrig und aufgebracht. Sie sagt zwar, daß sie ein hochaktives, hochintensives Leben liebt, aber sie scheint die Kontrolle verloren zu haben. Und das ist auch wirklich kein Wunder. Es gibt niemanden auf Erden, der an einem irren Partywochenende die Kontrolle über sieben zügellose, narzistische, hyperaktive amerikanische Collegestudenten behalten könnte. Es ist Zeit, zuzuschlagen!«
    »Oh.«
    »Tja, morgen früh also. Ich werde sie beim Frühstück trösten. Ich werde ihr in Erinnerung rufen, was für verantwortungsbewußte Menschen ihre Kinder einmal sein werden, auch wenn sie im Augenblick die reinsten Wilden sind. Ich werde sie mit Zitaten von Shaw und Wild und Dorothy Parker amüsieren. ›Sie spricht achtzehn Sprachen und kann in keiner einzigen davon nein sagen.‹ Kannten Sie den schon?«
    Er hielt kurz inne, obwohl es nur eine rhetorische Frage war. Er sagte: »Und dann wird das Telefon klingeln, und es wird für mich sein. ›Wer kann das denn sein?‹ werde ich fragen, wenn Loring den Apparat in die Frühstücksecke bringt. Ich werde einen Augenblick lang besorgt dreinschauen. Aber dann werde ich geistreich bemerken: Wahrscheinlich der Ausschuß für den Nobelpreis, der mir mitteilen will, daß ich den Literaturpreis kriege.‹ Sie wird lachen, meine Charlotte, und ich werde den Anruf mit einem abwartenden ›Hallo?‹ entgegennehmen.«
    Ich sah zu, wie er das Telefongespräch mimte und seine verschiedenen Gesichtsausdrücke probte.
    »Und, siehe da! Es ist ein Anruf von Vanessas Mutter! Sie wird mir erzählen, daß Vanessa…«
    »Wer ist Vanessa?«
    »Meine liebe dahingeschiedene Frau. So roh und vorzeitig ermordet. In der höchsten Blüte ihrer fraulichen Reife von einer Bande marodierender Hooligans niedergestreckt.«
    »Einer Bande was?«
    »Schläger.«
    »Ah. Schläger. Herr Poet, wie stellen Sie sich das Arrangement eines transatlantischen Anrufs vor?«
    »Oh, das ist alles organisiert, mein lieber Freund. Ich habe eine Schwester mit schauspielerischer Ader. Ich habe ihr gestern abend den Text diktiert. Sie wird morgen früh nach unserer Zeit anrufen. Ich habe ihr gesagt, wann Charlotte und ich frühstücken werden.«
    »Sie wohnen bei Charlotte?«
    »Nein, nein. Ich habe ein Apartment. Ist Teil meines Stipendiums. Aber ich werde mir heute abend den Knöchel verstauchen und sie bitten, bleiben zu dürfen. Charlotte wird nichts dagegen haben, aber doch ein klein wenig argwöhnisch sein. Aber ich werde mich aller eindeutigen Vorschläge und schlüpfrigen Bemerkungen enthalten, als vollendeter Gentleman. Wir werden Freunde sein, nichts als Freunde.«
    »Hm, Sie haben die Sache anscheinend genau durchdacht. Heißt das also, daß Sie mich gar nicht brauchen werden?«
    Aber genau das hieß es eben nicht.
    Er ging mit mir die Geschichte durch, die er sich für Vanessas Schicksal zurechtgelegt hatte. Ihre Stärken beruhten auf geschickter Inszenierung und den Gefühlen, die von der Ungerechtigkeit willkürlicher Gewalt ausgelöst wurden. Sie hatte auch eine Moral: Alles Gute im Leben mußte beim Schopf gepackt werden, weil das Leben viel zu kurz ist. 
    Als er fertig war, bestand meine Aufgabe darin, die Sache zu kommentieren.
    »So als hätte man Sie engagiert, in dieser Sache Nachforschungen anzustellen«, sagte er und warf sein Haar zurück. »Was würden Sie tun? Wo könnten die undichten Stellen liegen?«
    »Das Problem, Poet, ist folgendes: Wenn irgend jemand die Tatsachen überhaupt hinterfragt, wird er herausfinden, daß die ganze Sache eine einzige undichte Stelle ist.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Mal angenommen, jemand bäte mich, das zu überprüfen. Als erstes würde ich mit der Polizei an dem Ort

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