Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anruf vom Partner

Anruf vom Partner

Titel: Anruf vom Partner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lewin
Vom Netzwerk:
ich kenne genau die richtige Person für dieses Kleid.‹«
     
     

55
    Ich kreiste sie langsam ein. Ich konnte es spüren. Nichts konnte mich aufhalten.
    Zwei Leute, die sich mitten auf der Straße um einen zerbrochenen Rückscheinwerfer stritten, verlangsamten mein Fortkommen. Aber nichts konnte mich aufhalten.
    Auf dem Weg zur Dreißigsten Straße Ost überlegte ich, ob ich Miller anrufen sollte.
    Immerhin kreiste ich den Bombenleger von der Ohio Street ein. Ich war möglicherweise in Gefahr.
    Immer mit der Ruhe, immer mit der Ruhe. Was du einkreist, ist Louanne Hawk-Redman, die die Frau auf dem Bild kennt. Aber Louanne wird es dir vielleicht nicht sagen. Nicht gleich.
    Sinnlos, Miller vorzeitig aufzuregen. Vorzeitige Aufregung kann bei Bullen ein Problem sein. Wenn sie ihre Waffen ziehen, könnten sie vielleicht zu früh feuern.
    Außerdem erschien es mir stilvoller, den Bombenleger von der Ohio Street selbst der Polizei zu überstellen. Dieser Gedanke gefiel mir nach all dem Druck, den ich ausgehalten hatte, sehr. Miller mochte seinen Ehrgeiz haben, aber ich hatte meinen Stolz.
    Und dann war da auch noch das Werbepotential zu bedenken: Albert Samson, die Geißel des Terrorismus von Indianapolis. Was Frank daraus alles machen konnte!
    *
    ›Law in Action‹ belegte ein Ladenlokal nahe der Ecke Tacoma Avenue. Die Fenster waren in Augenhöhe mit Postern beklebt, auf denen die Kanzlei ihre Dienste beschrieb.
    Ich las sie nicht. Ich ging gleich rein.
    Direkt hinter der Tür stand ein Schreibtisch. Die Frau dahinter sortierte einen Stapel Papiere.
    Mein Blick wurde von ihren Händen geradezu magisch angezogen. Auf den Handrücken hatte sie große, pigmentlose Bereiche, vielleicht Narbengewebe. Das Ergebnis waren weiße Flecken auf ansonsten dunkelbrauner Haut.
    Ich sah sie an.
    Nach einigen Sekunden blickte sie auf. Sie ließ die Hände sinken und sagte: »Kann ich etwas für Sie tun?«
    Sie war es.
    Sie.
    Die Frau auf dem Bild.
    »Ich… ich… ich…«
    Sie stand auf. Sie schob den Stuhl mit den Waden weg.
    Dann ging sie um den Schreibtisch herum, ohne abermals ihre Hände zu zeigen.
    Ich bekam keine Luft mehr. Ich suchte nach einer Stütze. Ich fand Plastikstühle direkt hinter der Tür. Ich setzte mich.
    Sie blieb vor mir stehen.
    Als sie näher kam, wandte ich den Blick ab. Ich rang nach Luft, nach Beherrschung.
    Die Frau nahm mir Bobby Lees Zeichnung ab.
    Als ich sie wieder ansah, starrte sie das Bild an.
    Obwohl ich aus einem anderen Teil des Raumes eine Stimme hörte, nahm ich nicht wahr, was sie sagte.
    Aber die Bildfrau sagte: »Es ist schon in Ordnung, Louie. Dieser Mann und ich haben eine kleine persönliche Angelegenheit zu besprechen. Wir werden das Sprechzimmer benutzen. Nimm du mein Telefon, okay?«
    Sie beugte sich vor und nahm meine Hand. »Hier lang«, sagte sie.
     
     

56
    Das Sprechzimmer hatte weder Fenster noch Frischluft, war aber schalldicht. Selbst die Tür war mit Akustikkacheln verkleidet.
    Die Möblierung beschränkte sich auf einen Couchtisch und vier vinylgepolsterte Stühle. Auf dem Tisch stand ein Ventilator, den Bildfrau, nachdem sie die Tür geschlossen hatte, anstellte.
    Der kurze Gang hatte meinen Kopf ein wenig freier gemacht.
    Aber die Wirkung dieser Frau auf mich hielt immer noch an. Etwas Körperliches, womit ich nicht fertig wurde. Und das war ganz falsch. Ich sollte schließlich derjenige sein, der hier die Sache in die Hand nahm. Sie hatte die Bombe gestohlen, und ich hatte sie aufgespürt. Ich sollte auf einem Ehrenplatz sitzen und den Jubel, die Blumen und die Frauen in Empfang nehmen.
    In Wirklichkeit hatte ich alle Mühe, genug Luft für ein paar Worte in meine Lungen zu pumpen.
    Wir standen an dem Couchtisch.
    Sie hielt Bobby Lees Zeichnung hoch. »Das ist ein tolles Kleid, nicht wahr? Ich liebe es.«
    Ich war auf ein »ja« aus, bekam es aber nicht schnell genug heraus, weil sie das Bild auf den Tisch fallen ließ und sagte: »Wie sind Sie von dem Bild da auf mich gekommen? Waren es die Handschuhe?«
    Sie ließ sich auf einen der Stühle nieder.
    Ich nahm vorsichtig ihr gegenüber Platz. Ich setzte mich auf die Stuhlkante. Ich versuchte, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
    Aber für den Augenblick konnte ich an nichts anderes denken als an die Wärme ihrer Berührung, als sie mich in den Raum geführt hatte.
    Ich sagte nichts.
    Sie hielt beide Hände hoch, so daß ich die Flecken darauf deutlich sehen konnte. »Es ist eine Krankheit namens Vitiligo«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher