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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Milchkonsums stieß, war deswegen auch der, dass sich hier einige Übereifrige die Tatsachen zurechtbiegen, wie sie ihnen in den veganen Kram passen. Verdenken könnte ich es ihnen allerdings nicht. Der Konsum von Milch produziert unendliches Leid. Kaum einem Haustier wird so grausam mitgespielt wie der Kuh. Aber Fernsehsendungen über geschundene Tiere haben bedauerlicherweise wenig Auswirkung auf den Fleisch-, Eier- oder Milchkonsum. Läuft im Fernsehen hingegenein Bericht über Gammelfleisch oder zerhackte Kükenembryonen in Frischeinudeln, ist die Kauflust des Konsumenten am nächsten Tag deutlich gebremst. Offensichtlich ist der Magen empfindlicher als das Herz, und es macht mehr Sinn, die Leute zu erschrecken, als zu versuchen, ihr Mitleid zu erregen. Nun handelt es sich bei den Autoren, auf die sich die Veganer beziehen und die sich so vehement gegen den Milchkonsum aussprechen, aber nicht um irgendwelche Spinner, sondern um Fachleute und Wissenschaftler wie Dr. Colin T. Campbell, einen emeritierten Professor für Biochemie an der Cornell University, das eines der renommiertesten Institute der USA ist. Campbell hat über 40 Jahre lang in der Ernährungsforschung gearbeitet und 170 Dörfer in China über Jahre hinweg auf die Beziehung zwischen Ernährung und Zivilisationskrankheiten untersucht. Seine 1990 veröffentlichte »China Study« gilt als eine der umfassendsten Studien zu den Auswirkungen von Ernährung und Lebensstil auf die Gesundheit. Deswegen habe ich mir die Argumente gegen die gute Milch sehr gründlich durchgelesen. Dann habe ich mir noch einmal die Argumente der Milchbefürworter angesehen, und jetzt versuche ich mal zusammenzufassen, wie sich die Sache für mich darstellt:
    Also, einig sind sich beide Seiten immerhin so weit, dass Menschen, die Kuhmilch verdauen können, ein relativ junges Phänomen sind. Es gibt sie erst seit höchstens 9000 Jahren. (Untersuchungen an neun europäischen Skeletten aus der Jung- und Mittelsteinzeit (7800 bis 7200 Jahre alt) haben bei der Analyse ihrer Gene ergeben, dass keiner dieser Menschen in der Lage war, Milch zu verdauen.) Bis dahin konnten Menschen – wie alle anderen Säugetiere auch – Milch nur so lange vertragen, wie sie von ihren Müttern gestillt wurden. In dieser Zeit bilden Säuglinge nämlich das Verdauungsenzym Laktase, das den in der Milch enthaltenen Milchzucker aufspaltet. Werden Babys nach einigen Monaten entwöhnt, wird auch bald das Enzym nicht mehr ausreichend gebildet. Diese sogenannte Laktoseintoleranz ist keine Krankheit und kein Gendefekt, sondern für 75 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung bis heute der Normalfall. Wären Menschen Autos, dann wären erwachsene Menschen, die keine Milch vertragen, Serienmodelle und Menschen, die die Mutation besitzen, Laktose auch noch im Erwachsenenalter aufspalten zu können, wären Sondermodelle mit der Extraausstattung »Laktasepersistenz«. Völlig sinnlos für die meisten Menschen, da sie im erwachsenen Alter zu erwachsener, also fester Nahrung wechseln. Deswegen hat sich diese Mutation auch nur bei Ethnien durchgesetzt, die bereits vor einigen Tausend Jahren angefangen haben, Viehwirtschaft zu betreiben. In Afrika vertragen 90 % der Bevölkerung keine Milch, in Südostasien 98 % – und die 2 %, die sie verdauen könnten, tun es wahrscheinlich auch nicht. In Deutschland sind hingegen 75 bis 85 % aller Einwohner Mutanten, die Käse, Quark und Buttermilch bestens verdauen – und die, die sie nicht vertragen, wissen das oft gar nicht, sondern haben bloß immer so komische Bauchschmerzen.
    Auch wenn es die Veganer nicht gerne hören werden – aber bei einer Mutation, die sich im Europa nördlich der Alpen fast komplett durchgesetzt hat, muss es sich um einen Evolutionsvorteil gehandelt haben. Er wird in Zeiten akuten Nahrungsmangels vor allem im Fett- und Kaloriengehalt der Milch begründet gewesen sein. Die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel würde wahrscheinlich noch auf die vielen guten Inhaltsstoffe – Kalzium, Kalium, Magnesium, Jod, Aminosäuren und fettlöslichen Vitamine – hinweisen.Meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach könnte es allerdings auch daran gelegen haben, dass in einer Gesellschaft, in der sich plötzlich alles um die Milch drehte, diejenigen, die das neue angesagte Nahrungsmittel nicht vertrugen und es wegen des gesellschaftlichen Drucks trotzdem weiter tranken, plötzlich einen deutlichen Evolutionsnachteil hatten. Die Symptome der

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