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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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aus. Er war erwachsen und hatte Urlaub. Und wenn er nach Achourat aufgebrochen war – die Leute kannten ihn dort; er war für sie kein Fremder, dürfte also kaum in Gefahr geraten.
    Auch der nächste Tag brachte keinen Aufschluß über Renés Verbleib. Dieser Tag war angefüllt mit Arbeit; todmüde fielen die Männer in ihre Betten.
    Trotzdem war es erst kurz nach Mitternacht, als Thomas wach wurde. Jemand hatte seinen Namen gerufen. Es war Pjotr, der halbaufgerichtet auf seinem Bett lag. »Hör mal«, flüsterte er, »das ist doch nicht der Wind…«
    Ein mattes Pochen oder Kratzen in der Nähe des Fensters war zu vernehmen.
    Da war es wieder: Jemand machte sich am Fenster zu schaffen. »Wir müssen raus«, flüsterte Thomas, »komm!« Ganz geheuer war ihm nicht. Er ging, wie er war, nur mit einer kurzen Hose bekleidet. Vor der Tür schlug ihnen eisig anmutende Luft entgegen. Thomas begann zu zittern, aber nicht nur vor Kälte. Sie tasteten sich langsam an der Wand entlang. Es war beinahe stockfinster. Nur die Sterne und ein wenig Streulicht von der Baustelle her hellten die Dunkelheit unbedeutend auf. Um zu dem Fenster zu gelangen, mußten sie um die Gebäudeecke. Thomas schlich als erster. An der Ecke winkte er Pjotr. In der Nähe des Fensters lehnte eine Gestalt mit der Brust an der Wand, die Arme hingen herab.
    »Wer ist da«, rief Pjotr überlaut.
    Durch die Gestalt lief eine leichte, kraftlose Bewegung, eine Antwort kam nicht.
    »Komm«, raunte Pjotr. »Vorsichtig«, flüsterte Thomas zurück.
    Es war René Tours, der so unnatürlich an der Wand lehnte. Als sie bei ihm ankamen, versuchte er, sich umzudrehen. Mit einem Wehlaut sackte er zusammen.
    »Los, hol eine Lampe!« schrie Pjotr. Thomas rannte ums Haus. »Was ist denn?« Delands Kopf drückte eine Rundung in das Moskitonetz, das die Fensteröffnung überspannte. »Warum macht ihr solchen Krach?« fragte er schlaftrunken.
    »Komm lieber raus und hilf«, raunzte Pjotr. »René, anscheinend verletzt!«
    Mit einem Satz sprang Deland aus dem Fenster, durch den Mückenschleier hindurch, der sich wie eine Tunika um seinen nackten Körper legte.
    Thomas kam mit der Lampe. Er hielt die Hand über die Linse und richtete den gedämpften Schein auf René. »Verdammt, was ist dir denn passiert?« rief er.
    René war wohl bewußtlos. Er sah schlimm aus, die Augen verschwollen, mehrere Platzwunden im Gesicht, die Kleider in Fetzen, verschmutzt, blutig…
    »Ich hole den Arzt«, rief Harry Deland und rannte davon. Den Mückenschleier um den Körper gerafft, sah er aus wie eine Spukgestalt; nur flüchtig kam Thomas dieser Gedanke, als er behutsam René an den Beinen unterfaßte, um ihn gemeinsam mit Pjotr ins Haus zu tragen.
    Der Arzt brachte René nach einer halben Stunde wieder in einen vernehmungsfähigen Zustand. Gewaschen, in einem sauberen Schlafanzug sah er auch nicht mehr ganz so schlimm aus. Dr. Craft gab jedoch zu bedenken, daß durchaus innere Verletzungen möglich seien. »Ich habe die letzten Rangers betreut, wenn Ihnen das etwas sagt«, betonte er. »Die sahen nach einer heißen Übung manchmal ebenso aus, und mancher hatte einen Knacks fürs Leben weg…«
    »Ich nehme nicht an, daß René Ranger gespielt hat«, spottete Pjotr. »Das glaube ich auch nicht«, sagte Dr. Craft. »Aber sein Zustand ist wahrscheinlich durch eine äußerst heftige Prügelei herbeigeführt worden.« René, der seit einigen Augenblicken der Unterhaltung folgte, nickte.
    Gleichzeitig versuchte er sich aufzurichten. Er verzog das Gesicht, aber es ging.
    »Erzähle, René«, forderte Pjotr.
    »Nichts da«, herrschte sie Dr. Craft an. »Erst bin ich noch mal an der Reihe.« Und er begann René abzutasten, erkundigte sich, ob diese oder jene Berührung schmerzhaft sei, und stellte dann befriedigt fest: »Außer einigen Prellungen und oberflächlichen Blutergüssen scheint innen alles in Ordnung zu sein. Nun interessiert mich aber auch, wer Sie so zugerichtet hat.«



»Da gibt es nicht viel zu berichten«, sagte René, »nach zwei Stunden Marsch war ich gestern da.«
    »Wo?« fragte Thomas vorsichtshalber.
    »In Achourat natürlich.« René spülte noch mal eine frische Zahnlücke. »Die Goslah wohnen am Rande. Ich kam, glaube ich, ungesehen zur Hütte, weil, wie ich später erfuhr, eine Versammlung stattfand. Nur Aïfe und ihre Mutter waren im Anwesen. Es war ein schöner Tag. Am Abend kam ihr Vater. Er war sehr ungehalten, als er mich sah, bedrohte die Frauen. Ich wollte Klarheit,

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