Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
den Raum verließ, kam Deland. Er trat zur Seite, um Thomas vorbeizulassen, sah ihn nicht an, sagte nichts, aber er schien Thomas gelassener, zufriedener als sonst. Das Mürrische fehlte in seinem Gesicht.
    Um zu Lewrow ins Zimmer zu kommen, mußte Thomas an Nina vorbei. Sie haschte nach seiner Hand, wollte etwas sagen. Er schüttelte sie grob ab, raunzte: »Laß mich«, und dann war er bei Lewrow.
    Pjotr war nicht da. Thomas warf sich aufs Bett, wühlte das Gesicht ins Kissen. Er war verzweifelt.
    Er hat leicht reden – was ich alles hätte tun sollen und können! Ich bin überzeugt, er hätte es in meiner Lage auch nicht getan – wozu? Natürlich wären da Kontrollmöglichkeiten gewesen. Aber was sollte mich dazu veranlassen? Und schließlich ist die Berechnung einer Kurve nichts Weltbewegendes.
    Wie sie ihn bedauerten, die lieben Kollegen, Hilfe anboten. Was ist da zu helfen? Die Kurve ist verfahren, muß neu angesetzt werden, nachgearbeitet. Ein weiterer Terminverzug, Verärgerung der Kumpel…
    Und Lewrow: Ob ich mir der Tragweite bewußt sei. Ob ich wisse, daß er Meldung machen müsse an das zentrale Kaderbüro, daß er nicht garantieren könne, ob unter diesen Umständen überhaupt ein erfolgreiches Praktikum absolviert werden könne. Selbstverständlich werde diese Geschichte die Beurteilung beeinflussen.



Thomas hätte davonlaufen mögen. Was hat er gegen mich? Er kennt mich doch gar nicht! Ob er immer so ist? – Aber die Kurve ist falsch, eindeutig falsch.
    Er zwang sich zur Ruhe. Plötzlich sehnte er sich nach Evelyn, die ihm schon oft, wenn er sich allzu hitzig über dieses oder jenes erregte – Lappalien im Vergleich zu dieser Sache hier –, beruhigend über den Kopf gestrichen hatte. Wenn sie doch da wäre, wenn ich doch nicht so weggelaufen wäre – wenn ich wenigstens wüßte, daß alles wieder so sein könnte wie früher…
    Was bin ich überhaupt für ein Mensch? Wozu tauge ich? – Bin ich ein Versager?
    Evelyn habe ich gekränkt. Hier die Kumpel enttäuscht, Schaden verursacht. Was mache ich falsch? Was anders als während des Studiums?
    Aber was hätte ich nur tun sollen; die Berechnungen waren doch richtig!
    Thomas sprang auf und rannte im Zimmer hin und her. Laufen hätte ihm geholfen, Wald und Laufen bis zum Müdewerden. Statt dessen bist du eingesperrt in Plaste, Beton, in Eis. Draußen immer noch Sturm und minus 40 Grad. Verfluchte Antarktis!
    Er stand vor dem Automaten. Den Code für Kognak kannte er auswendig, drückte die entsprechende Ziffernkombination jedoch nicht. Statt dessen suchte er sich bedächtig aus dem Katalog ein reichhaltiges Mahl zusammen, drückte überkonzentriert die Tasten und nahm einen Teller nach dem anderen aus dem Transporter.
    Durch das Summen des Videophons ließ er sich nicht stören, er meldete sich einfach nicht. Von den Speisen aß er die Hälfte, nahm sich nicht die Zeit, Geschirr und Reste in den Schlucker zu werfen. Er hatte es auf einmal eilig hinauszukommen. Er rannte zum Kino.
    Ja, weg müßte man, weg, alles hinter sich lassen. Das Praktikum, Lewrow, Nina – Evelyn, ja auch Evelyn. Irgendwo eine Arbeit annehmen, eine manuelle, auch wenn die schwer zu bekommen war. Wenig oder keine Verantwortung, sechs Stunden Gleichmaß, danach ausgeruhtes Denken…
    Das Geschehen im Kino lenkte Thomas ab, zog ihn in seinen Bann, wie immer, seit diese 3-D-Filme gleichsam im Raum zwischen den Zuschauern abrollten. Einmal ertappte er sich sogar dabei, wie er laut lachte.
    Aber hinterher begann es wieder, das Grübeln.
    Pjotr war da. Er verwickelte Thomas in ein belangloses Gespräch.
    Thomas war sicher, daß er Bescheid wußte, mußten doch über die Schichtleiter Sofortmaßnahmen zur Korrektur eingeleitet werden.
    Pjotr ließ sich nichts anmerken, erzählte von seinem Zuhause, von dem neuen Kupfererzschacht, in dem er sich eine Stelle erhoffte, später, unmittelbar vor der Haustür sozusagen.
    Dann fragte er, was Thomas ihm für den Urlaub riete. Ob er meine, daß gemeinsame Ferien mit einem Mädchen moralisch verpflichteten. Seine Mutter sei da ein wenig komisch. Schließlich sei sie noch unter Hirten aufgewachsen…
    Thomas verlor plötzlich die Beherrschung. Er sah auf, schaute Pjotr böse an und schrie: »Laß mich mit deinem Zeug zufrieden. Du weißt ganz genau, daß mir der Sinn nicht danach steht.«
    »Na, na«, sagte Pjotr überrascht. »Nimm dich zusammen! Ich weiß selbst, daß es nicht angenehm ist, aber den Kopf werden sie dir schon nicht

Weitere Kostenlose Bücher