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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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abreißen.«
    »Du hättest den Lewrow hören sollen«, sagte Thomas patzig. »Und überhaupt, deine Gemeinplätze kannst du dir schenken.«
    Pjotr krümmte die Augenbrauen, wodurch sein Gesicht noch länger wirkte. Das tat er immer, wenn er einen Begriff nicht verstand. Aber Thomas hatte keine Lust, ihm nun auch noch Sprachunterricht zu erteilen.
    »Wir haben den Kursweiser in der Maschine nachgeeicht. Daran liegt es auch nicht.« Pjotr ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
    Sie sagten eine Weile nichts. Dann sah Thomas Pjotr an. »Entschuldige, war nicht so gemeint.«
    »Gut, gut«, erwiderte er und winkte mit der Hand ab. »Was willst du jetzt machen?«
    »Das beste wäre, ich haue ab.«
    »Quatsch«, sagte er. »Unten sind die Arbeiten soweit vorbereitet. Morgen fangen wir an. Wir schieben eine Reparaturschicht dazwischen für die ›Pferdchen‹, schalten den zweiten Pumpenstrang dazu und nehmen ab Kurvenanfang den linken Stoß nach. Nur in der Hauptstrecke. Im Vortrieb bei uns klemmt ja nichts. Ein kleiner Knick und weiter geht’s. Wir schmelzen und pumpen ab. In zwei Schichten ist alles vergessen.«
    »Zwei Schichten, zwei Schichten«, äffte ihn Thomas nach. »Weißt du, was die kosten?«
    »Was kannst du ändern?« sagte Pjotr, nun auch ärgerlich.
    »Wenn ich wenigstens einen Ansatzpunkt hätte«, sagte Thomas ruhiger. »Hier«, und er warf die auf seinem Tisch verstreut herumliegenden Blätter hoch, »alle Möglichkeiten durchgerechnet, stimmt.«
    »Wenn dein Lewrow auch keinen Fehler findet, kannst du doch beruhigt sein.«
    »Der rechnet nicht nach. Ich war verantwortlich, sagt er. Der Radius ist zu klein. Er habe weder Lust, selbst zu rechnen, noch einen anderen damit zu beauftragen. Ich hätte mich entsprechend absichern müssen. Und im übrigen habe er in seiner Praxis schon einmal erlebt, daß sich jemand ein Ergebnis selbst gemacht hat…«
    »Das hast du dir gefallen lassen?« fragte Pjotr.
    Thomas zuckte mit den Schultern. »Die Kurve ist falsch, das allein zählt – und seine Ursache wird es schon haben.« Er ärgerte sich jetzt, nachdem Pjotr wieder davon angefangen hatte, genauso wie unmittelbar nach der Aussprache mit Lewrow. Erst hinterher war ihm eingefallen, was er auf seine Vorwürfe hätte entgegnen müssen. Aber drin habe ich nichts gesagt, da habe ich alles geschluckt in Anbetracht dieser Schuld. Du bist hier Praktikant, habe ich mir eingeredet, und außerdem hat Evelyn unrecht. Ich bin nicht arrogant, und ich will auch nicht, daß andere das von mir denken. Und hier hilft nur eines, die Sache fressen, weil nur die Fakten zählen. Und Fakt ist, die Kurve ist zu eng.
    Am nächsten Tag ging Thomas nicht ins Büro. Er täuschte Kopfschmerzen vor und bekam einen Tag Ruhe verschrieben. Er hatte einfach Angst. Vor dem Kollektiv der Stollenleitung und dem Interparteiaktiv sich verantworten zu müssen ist keine Kleinigkeit. Andererseits meinte er, den freien Tag zu brauchen, um sich zu sammeln, seine Gedanken zu ordnen und sich Argumente zurechtzulegen. Er hatte nicht die Absicht, widerstandslos alles hinzunehmen.
    Am Nachmittag ging er ins Magazin, faßte unter einem Vorwand – um sich im Büro nicht sehen zu lassen – im Arbeitsschutzmagazin einen neuen Arbeitsanzug und ging in den Stollen. Die Anwesenheitsregistrierung umging er. Ein schlimmes Delikt, grober Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften, aber es war ihm egal.
    Irgendwie trieb ihn eine vage Hoffnung, etwas zu entdecken, das einen Anhalt gab. Natürlich fand er nichts.
    Durch die Nacharbeiten ruhte der Vortrieb. Unmittelbar vor Ort war niemand. Thomas kontrollierte den Laser. Er strahlte mitten auf die Ortsbrust. Mutlos kletterte er auf die Maschine, warf einen Blick zum Kursweiser. Pjotr hatte ihn überprüft.
    Niedergeschlagen fuhr er aus.

V
    Sie waren nun schon drei Tage unterwegs, Deland, Richard, der Lenker des Mammuts, und Thomas.
    Heute, am dritten Tag, war jedes Messen unmöglich. Sie befanden sich in der Wohnkabine des Mammuts und sahen durch die Klarsichtfolie mehr oder weniger trübsinnig in das Sturmtreiben. Wäre Richard nicht Richard, es wäre ein trauriges Gespann gewesen: Deland, nach wie vor mehr als wortkarg, und Thomas alles andere als zum Scherzen aufgelegt.
    Aber Richard ließ sich durch die beiden die Stimmung keineswegs verderben. Er redete fast ununterbrochen, nicht gerade mit sich selbst, aber er kommentierte seine Handlungen und die Ereignisse draußen.
    Thomas war sehr dankbar, überhaupt jemanden

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