Antarktis 2020
sein, ihm mitzuteilen, wie ihm zumute war. Und eigentlich war ihm froh zumute! Aber nun saß Nina am Tisch, ergründete das Teeglas und zog ihn noch auf. Es hätte so ein schöner Abend sein können, dachte er, nun ist die Stimmung hin.
Vielleicht versteht sie mich gar nicht, wenn sie so redet. Wahrscheinlich kann sie gar nicht ermessen, was mein Polarabenteuer für mich bedeutet hat. Und nun kommt sie mir mit solchen Redensarten. Evelyn wäre da anders. Sie hat zwar auch immer etwas an mir auszusetzen, aber Leistungen weiß sie zu schätzen.
Thomas lockerte den Kragenverschluß seines Lumberjacks. Was weiß ich überhaupt von Nina? dachte er. Hübsch ist sie, macht ihre Arbeit und scheint auch sonst zu wissen, was sie will, sonst wäre sie sicher nicht hier. Und wieso gibt sie sich ausgerechnet mit mir ab, wenn sie so redet.
»Sag mal«, fragte er nach einer Weile des Schweigens, »magst du mich?«
Nina sah auf, nahm dann das Teeglas hoch, umschloß es fest mit beiden Händen und trank in kleinen Schlucken.
»Warum fragst du?«
»Na ja«, meinte Thomas verlegen. »Schließlich bin ich kein Alteingesessener hier, hat da niemand ältere Rechte…?«
»Aha«, sagte Nina. Sie lehnte sich zurück, sah Thomas voll an und fragte: »Und wenn du mir von Anfang an gefallen hättest? So etwas soll es geben. Du bist halt mein Typ…«
»Hm«, brummte Thomas.
»Hab nur keine Angst«, sagte sie ein wenig abweisend. »Ich bin nicht so eine, wie du offenbar denkst. Und das mit deinen älteren Rechten ist auch schon anderthalb Jahre her, und da war ich noch nicht hier.«
»So habe ich das nicht gemeint«, beeilte sich Thomas zu sagen und merkte, daß er zu weit gegangen war. Er griff nach Ninas Hand, küßte sie flüchtig und sagte: »Auch du gefällst mir gut.« Wie er es jedoch sagte, klang es ein wenig zu echt, und er schaute dabei zu treuherzig, um überzeugend zu sein. Er schien das selbst zu spüren und zögerte, ehe er weitersprach: »Aber siehst du, wenn wir uns mögen…« Er setzte von neuem an: »Ich verstehe nicht, weshalb du mehr Lewrows als meine Meinung vertrittst.«
»Ich gebe Lewrow nicht recht«, erwiderte Nina nun leicht ärgerlich, »es ist meine Meinung, die ich dir sage. Und wenn es stimmen sollte, daß du mich magst, müßtest du dir von mir etwas sagen lassen. Ich sehe hier nämlich niemanden, der dir schaden will. Ich habe dir von Anfang an gesagt, daß Lewrow dir hilft, nur, du willst dir nicht helfen lassen.«
Thomas lehnte sich auf der Liege zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Evelyn hätte mir das anders gesagt. Weicher. Die Nina ist mir doch zu selbstsicher, dachte er. Ich glaube nicht, daß wir uns wirklich verstehen. Überhaupt ist Evelyn ganz anders, sicher auch verschlossener, aber inniger, gefestigter, fraulicher.
»Ach, weißt du was«, sagte er laut und richtete sich wieder auf, »lassen wir das!« Er gab seiner Stimme einen bewußt fröhlichen Klang, stand auf, trat an Nina heran und legte einen Arm um ihre Schulter. »Das ist die ganze Sache nicht wert, daß wir uns vielleicht noch darüber streiten.«
Nina schüttelte seinen Arm sanft ab und sagte: »Du machst dir das alles sehr einfach, Tom!«
Daß sie sich seinem Arm entzogen hatte, ärgerte Thomas mehr als ihre Worte. »Wenn ihr alles komplizieren wollt«, sagte er böse, »dann macht es. Mir reicht es schon. – Kommst du mit ins Casino?« fragte er dann obenhin.
Nina stand auf. »Ich habe Kopfschmerzen«, sagte sie. »Ich werde mich wohl beizeiten ins Bett legen.«
»Na, dann mach’s gut«, sagte. Thomas. Er streckte seine Hand aus, zögerte, strich ihr dann sanft über den Arm.
Nina schaute kurz auf, drückte einen winzigen Augenblick zärtlich seine Finger. Thomas ging nicht ins Casino. Er war ärgerlich über den verpatzten Abend. Er lief in sein Zimmer mit der Absicht, Evelyn einen Brief zu schreiben.
Pjotr war da. Er empfing Thomas gleich mit der neuesten Nachricht: Seit zwei Stunden fließe die Lösung in die Strecke, und mit dem »Wurm« laufe weiterhin alles programmgemäß!
Thomas ließ sich von der Freude Pjotrs anstecken, obwohl er den gelungenen Stapellauf des »Wurms« nicht als etwas Besonderes empfand, sondern als logische Vollendung einer Reihe logischer Schritte. Bei einer ernsthaften wissenschaftlichen Vorbereitung war nach seiner Meinung zwingend der Erfolg zu erwarten.
Als er solche Gedanken Pjotr schonend andeutete, lachte dieser und sagte: »Ja, ja, du mußt das ja wissen! Sei
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