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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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mit ihm fliegenden Amerikaner, von denen zwei oder drei, so glaubte Thomas, zu der Schicht gehörten, die er damals im Frühstücksraum des Leitstollens getroffen hatte, verließen TITANGORA für immer. Sie kehrten in ihre Heimat zurück, weil sie eingegliedert waren.
    Sie benahmen sich entsprechend, waren ausgelassen, übersprudelnd fröhlich, Thomas zunächst ein wenig lästig. Bald ließ er sich jedoch von ihrer Freude anstecken, zumal sie ihn herzlich in die Runde einbezogen.
    Nachdem sie die Räume, die für die Passagiere zur Verfügung standen, besichtigt hatten, waren sie natürlich nicht abgeneigt, sich die zweieinhalb Stunden Flug nach Mirny zu verkürzen und dabei die Annehmlichkeiten des Schiffes zu genießen.
    Sie schlugen über die Stränge wie Jungen, lärmend, lachend. Im wesentlichen unterhielten sie sich schon jetzt darüber, noch Tausende Kilometer von den USA entfernt, was sie ihren Angehörigen, Kindern, nach Hause mitbringen wollten, gekauft von dem Geld, das sie in Mirny verdient hatten.
    Thomas staunte. Natürlich war ihm bekannt, daß in den USA alles, was das Leben bieten konnte, so wie früher überall, nur gegen Geld zu haben war. Aber so unmittelbar hatte er es noch nie empfunden, und es kam ihm als einem, der in einer anderen Welt aufgewachsen war, eigenartig vor, wenn er sich vorstellte, wie viele Menschen es noch geben mochte, die auf einige oder viele Annehmlichkeiten des Lebens oder gar auf das Notwendigste verzichten mußten, einfach deshalb, weil sie nicht genügend Geld besaßen.
    Die Amerikaner, Thomas’ Reisegefährten, empfanden das nicht so. Sie hatten genügend Geld. Aus Unterhaltungen erfuhr Thomas, daß einige drei Jahre in TITANGORA waren, drei Jahre, in denen sie wußten, daß ihre Angehörigen und Familien von einer Unterstützung lebten, die nur wenig über dem Existenzminimum lag, einer Unterstützung, die zum Teil mit aus ihrem Verdienst, dem abgewandelten Sold, bestritten wurde.
    Und Thomas spürte eines auf diesem Flug, daß sie ihm Achtung entgegenbrachten, und das, so glaubte er, nicht nur wegen der Geschichte mit Deland, sondern, das meinte er ganz sicher zu spüren, weil er sich zu jenem Teil der Menschheit zählen konnte, der die Voraussetzungen schuf, daß sich solche Situationen wie diese, in denen sich die Amerikaner und ehemalige Armeeangehörige anderer kapitalistischer Staaten befanden, nicht mehr zu wiederholen brauchten.
    Einer von seinen Begleitern, den sie Jim nannten, ein hochaufgeschossener hagerer Mann mit Sommersprossen, brachte es beim Anblick der entschwindenden Anlagen von TITANGORA, als er neben Thomas an einem der schrägstehenden Fenster saß, auf seine Art zum Ausdruck: »Es hat mir trotzdem bei euch gefallen, boys«, sagte er und gab Thomas einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. »Ihr stellt hier mit großer Mühe und viel Geld etwas auf die Beine – und wir armen Schweine müssen noch an eurem Trog mit fressen, damit aus uns etwas wird. Ihr habt uns im Schädel viel geradegerückt damit…«
    Thomas verspürte plötzlich bei diesen wenigen Worten – einen Augenblick nur, mehr im Unterbewußtsein – etwas wie Stolz, Freude und Rührung zugleich. Aber es war nur eine winzige Aufwallung, die in dem humorigen Lärmen seiner Reisegefährten sogleich wieder unterging.
    Dann, als sich unter dem Schiff die weiße Einöde hinzog, hörten sie Musik, aßen und erzählten Anekdoten, aus ihrer Zeit in TITANGORA, als läge sie schon Jahre zurück.
    Thomas hörte amüsiert zu. Er war erstaunt, als unter ihnen das Meer mit hingetupften Eisbergen in einem grünlichen Leuchten auftauchte, was darauf hindeutete, daß sich das Luftschiff Mirny näherte. Sie überflogen die riesige Kuppel, und erst jetzt konnte sich Thomas eine Vorstellung von den Ausmaßen der südlichsten Stadt der Erde machen. Während der Zwischenlandung bei der Herreise auf dem außerhalb der Stadt liegenden Flugplatz war ihm die Kuppel aus der Ferne wie ein flachgedrückter unscheinbarer Iglu erschienen.
    Nach dem Aussteigen durchschritten sie eine Temperaturschleuse und befanden sich am Eingang zu einer Vakuumschnellbahn.
    Nach nur sieben Minuten hielt der Zug. Sie stiegen aus, und Thomas war abermals, schon zum zweitenmal an einem Tag – er registrierte diesen Umstand bei sich selbst als merkwürdig –, stark beeindruckt. Wenn er nicht gewußt hätte, daß er in Mirny war, er hätte nach dem Bild, das sich ihm bot, geglaubt, sich in einer Siedlung am Fuß des Kaukasus

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