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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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wie es war. Auch beim Nachbarschiff, einem ehemaligen britischen Kreuzer namens »Shetland« – in großen grauen Lettern stand es am Bug – hatte man die Geschütze abmontiert. Er sah dadurch eigenartig verstümmelt aus.
    Und jetzt sah Thomas auch die Ringbahn. Sie hing wie die Bohrinsel in dem Netz über New Maori und hatte keine starre Verbindung mit den Schiffskörpern, die bei Sturm in Bewegung gerieten und dadurch einen Bahnkörper, der über sie hinwegführte, in Mitleidenschaft ziehen würden.
    Thomas war begeistert von New Maori; er war plötzlich Mattau nicht mehr gram und hatte auf einmal den festen Vorsatz, alles zu tun, um sich mit Ev auszusöhnen.
    Zunächst verspürte er jedoch Hunger. In den einzelnen Etagen des Hotels gab es Automatenräume. Hier konnte jedes normale Menü zusammengestellt werden.
    Und dann fand Thomas die Residenz des Chefs nicht sogleich. Fünf Minuten nach einundzwanzig Uhr kam er an. Kollegin Stelzer stand im Vorzimmer. »Na, nicht geschafft?« fragte sie anzüglich. »Der Chef wartet schon.«
    Thomas hielt es für überflüssig, sich zu entschuldigen.
    Neuber saß hinter einem kleinen Schreibtisch. Er war klein, wirkte überraschend jugendlich. Er hatte widerspenstiges lockiges Haar, behende blaue Augen, war bartlos. Er gab sich liebenswürdig – und forsch. Thomas hatte alsbald den Eindruck, als schauspielere Neuber mit der Absicht, seinen Besucher in einer bestimmten Weise zu beeindrucken. Er sprühte vor Elan und Optimismus. Dabei zupfte er mit einer Hand unentwegt an den Fingerkuppen der anderen herum, eine fahrige, offenbar unbewußte Marotte.
    Er erläuterte die Zielfunktion New Maoris so weitschweifig, daß sie ein Neuling nicht begreifen konnte. Thomas gab sich nach kurzer Zeit auch nicht mehr die Mühe, ihm zu folgen. Der Effekt, der sich womöglich einstellen sollte, blieb diesmal aus.
    Dieses dokumentierte souveräne Wissen des Leiters, auch um Details, konnte nur Scheinwissen sein. Es war unmöglich, daß auf diese Weise der Gesamtprozeß beherrscht wurde. Oder Neuber war ein Genie.
    Hoppla, Thomas, du urteilst schon wieder sehr, sehr voreilig, zügelte sich Thomas. Nicht vom ersten Eindruck und schon gar nicht von Gefühlen leiten lassen!
    Schließlich erläuterte Neuber, was er von Thomas erwartete: Neben der Tätigkeit bei GEOMESS Durchlauf durch alle sieben Sektoren und gleichzeitig wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Leitung, an der Seite der Kollegin Stelzer. Als Ergebnis erwarte er eine Art Analyse der Tätigkeit der Sektoren und Vorschläge zur Steigerung der Effektivität. Einen Einwand von Thomas, daß er doch völliger Neuling sei, tat er überlegen mit der Bemerkung ab, daß es manchmal mehr auf gesunden Menschenverstand als auf Erfahrungen und Fachkenntnisse ankäme, eine Einsicht, die ihm bei Thomas Sympathie einbrachte.
    Als er wieder im Vorzimmer war, fragte ihn Kollegin Stelzer naiv: »Na, wie gefällt dir unser Chef?« Sie wartete keine Antwort ab und fuhr wichtigtuerisch fort: »Er war lange Zeit bei der Armee als Versorgungsoffizier. Unser Chef ist sehr vielseitig als Diplomökonom.« Sie glaubte offenbar, daß sie die Fähigkeiten des Chefs noch besonders herausstreichen müsse: »Was denkst du, wie er sich ständig weiterqualifiziert, autodidaktisch, denn etwas anderes kann man bei der Verantwortung nicht machen.« Auch darin war Thomas anderer Meinung, aber diese Aussage paßte in das Bild, das er sich über Neuber formte. »Du siehst ja«, fuhr Frau Stelzer fort, »heute wird es bestimmt wieder Mitternacht. Und seit neun Uhr heute morgen ist er da.«
    »Habt ihr kein Leitungskollektiv?« fragte Thomas und wurde sich sogleich des Provokatorischen der Frage bewußt. Natürlich hatten sie eins. »Du wirst schon sehen, wie man sich auf die anderen verlassen kann!« sagte sie, und es klang nicht wenig abfällig.
    Oje, dachte Thomas, und er war ehrlich erschüttert über eine solche Haltung. Ich muß mich irren, sagte er sich, ein derartiges Objekt kann so nicht funktionieren.
    Thomas ging mit gemischten Gefühlen auf sein Zimmer. Er wußte nicht, welche Rolle er hier spielen sollte, hatte keine Konzeption.
    Auf einmal schüttelte er den Kopf, und er lächelte. Du hast hier ein IntensivPraktikum zu absolvieren, Tom, und dir nicht anderer Leute Kopf zu zerbrechen. Warum es komplizieren. Ab morgen Sektor eins, bei Dr. Andrej melden, fertig!
    Thomas begab sich zur Ringbahnstation, setzte sich in den Wagen und ließ im Fahren das imposante

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