Antarktis 2020
Trinkbecher, der auf dem Tisch gestanden hatte, kippte um, rollte vom Tisch über den Fußboden und fand erst an der Wand Halt.
»Stille ward’s mit einemmal«, sagte Kai, freilich ohne die Spannung, die sich der drei bemächtigt hatte, im geringsten zu lindern.
Wenig später kamen Frank Niesar und noch einer der Mannschaft. Sie warfen Teile mittelschwerer Taucheranzüge mit autonomen Systemen in den Raum, und Frank Niesar ordnete an: »Anziehn, aber schnell!«
»Na denn«, sagte Ann, und wie es Thomas schien, mit gemischten Gefühlen. Er sah auf Frank Niesars Uhr, daß es gleich zehn Uhr dreißig war.
Kaum waren die Anzüge hermetisch geschlossen, drängten sie die zwei Männer in ruppiger Weise zur Schleuse. In dem kleinen Raum warteten bereits vier Mann der Besatzung im Taucheranzug auf sie.
Thomas erkannte in einem von ihnen Paterthik. Er stand am Schott und hielt ein Gerät in der Hand, das eine Unterwasserpistole sein mochte.
Kaum war das Innenschott dicht, sprudelte Wasser ein. Thomas, der das nun schon kannte, schauderte trotzdem leicht, als er die Kühle um die Waden verspürte.
Nach dem Druckausgleich öffnete Paterthik die Außenluke. Draußen herrschte eine grüne, milchige Trübe. Paterthik sagte etwas in sein Sprechfunkgerät, das ihm um den Hals hing. Monig konnte, sosehr er sich auch mühte, nichts verstehen.
Plötzlich näherte sich von draußen ein Schatten. Seine Umrisse, zunächst undeutlich, nahmen immer mehr Gestalt an. Es war ein Mensch, der heranschwamm, mit mächtigen Flossen an den Füßen. Der Mann war fast nackt. Er trug weder Atemmaske noch Sauerstoffgerät. Auf einem kleinen Skooter, den er vor sich her dirigierte, lag ein dunkler Gegenstand.
Als er seine Füße in die Schleuse setzte, schrie Thomas: »Ronny!« und machte einen Schritt auf den Schwimmer zu. Im gleichen Augenblick wurde er von einem der Männer ergriffen und festgehalten. Aber Ronny schien ihn erkannt zu haben. Er hob grüßend die Hand und stieß sich nach draußen ab. Wenig später war er verschwunden.
Den dunklen Gegenstand hatte er zurückgelassen. Es war ein durchsichtiger Sack, der im Licht der Schleusenbeleuchtung einen matten Glanz verbreitete.
Paterthik hatte den Sack geöffnet. Er ließ den Inhalt durch die Finger gleiten. Es waren winzige Kügelchen. Das Gold! durchfuhr es Thomas, das Lösegeld!
Wieviel Aufwand war für seine Gewinnung getrieben worden, wieviel Kubikmeter Ozean aufbereitet oder wieviel Mollusken waren gezüchtet und verarbeitet worden. – Für die Bereicherung eines Häufchens Abenteurer.
Von draußen näherte sich abermals ein Wasseratmer. Es war eine Frau, und auch sie setzte einen gleichen Sack in der Schleuse ab, ohne den geringsten Aufenthalt. Wie hieß sie gleich, überlegte Thomas intensiv, ja, Alina, Alina Kovanicova.
Sie kamen jetzt in rascher Folge, aber offenbar auf Startbefehl von Paterthik, denn er sprach jedesmal, bevor die Schwimmer auftauchten, ins Mikrophon. Es kamen der Franzose und der Sibirier, die mit Ronny und Alina im Glaskasten gesessen hatten und deren Namen Thomas vergessen hatte.
Als Ronny zum zweitenmal kam, sah auch er sich nicht um. Er warf den Sack gleichsam in die Schleuse und verschwand wieder. Thomas wurde unruhig. Es waren schon fünf Säcke hier, und sie standen immer noch alle drei in der Schleuse. Sollten die oben so dußlig sein, dachte er, und das Lösegeld erst zahlen, bevor wir drei freigelassen werden? Ihm wurde heiß im Anzug.
Auf einmal tauchten zwei Schwimmer auf, Alina und der Franzose. Sie luden das Gold ab, dann wartete Alina in einiger Entfernung vom Kreuzer, und der Franzose ließ den Sack in die Schleuse gleiten.
Paterthik wies mit dem Gerät auf Kai, der der Luke am nächsten stand. Der Franzose nahm ihn an der Hand und zog ihn mit nach draußen. Kai machte unbeholfene Schwimmbewegungen, und es war deutlich, daß es dem Franzosen schwerfiel, ihn fortzubringen. Dann packte Alina mit zu. Sie nahmen Sund in die Mitte, so ging es besser…
Thomas atmete erleichtert auf, und trotzdem wuchs seine Ungeduld.
Und wieder kamen die Schwimmer einzeln. Thomas zählte. Er vermutete, daß in einem der Säcke etwa fünfundzwanzig Kilopond Gold enthalten waren, das macht zwanzig Säcke, also müßte der nächste von ihnen, Ann, sie stand vor ihm, nach dem vierzehnten dran sein.
Alina brachte ihn. Ann setzte sich in Bewegung, machte einen Schritt auf Alina zu. Aber Paterthik wies auf Thomas, und da fühlte er sich auch schon gepackt und
Weitere Kostenlose Bücher