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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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genüßlich zu duschen.
    »Millionen«, sagte René bitter. Und noch einmal: »Millionen, als ob es darauf ankäme!«
    Monig Kai Sund in den Sinn. Kai mit seinen Sprüchen. Das glatte Gegenteil von René. Und trotzdem ist das natürlich kein Kriterium, dachte Thomas. Ein Mensch kann ernst wirken und doch von heiterer Ausgeglichenheit sein. Und außerdem kann man in knapp vierzehn Tagen kaum jemanden, noch dazu wenn er zurückhaltend ist, ausreichend kennenlernen.
    Aber jetzt schien in René etwas aufzubrechen. Das war keine heitere Ausgeglichenheit, das war Bitternis. Weniger die paar Silben, die er gesagt hatte, bewiesen das, als vielmehr, wie er sie gesagt hatte.
    Hat mich das zu kümmern? fragte sich Thomas. Und ihm fiel ein ähnlicher Fall ein, ein Ereignis, das ihm eigentlich immer gegenwärtig war: die Sache mit Deland. Da habe ich mich schon einmal um einen gekümmert. Und plötzlich wußte Thomas, in der immer noch herrschenden Glut von fünfunddreißig Grad Celsius im Schatten, neben dem rumorenden Turm, daß er die Episode mit Deland nie vergessen würde, daß sie ein Stück seines Lebens geworden war.
    Aber wer war nun dieser René? Das war kein Deland. Soviel Thomas wußte, war er Franzose mit Wohnsitz in Kanada, irgendwo bei Toronto, den genauen Ort hatte er vergessen. Er war Facharbeiter, Prospektionsfacharbeiter, der ihm von der Bauleitung zugesellt worden war, kurzerhand und unbürokratisch, so wie das überall der Fall ist, wo rationell gearbeitet wird. René hatte sich gut in das Geodätische hineingefunden, aber persönlich nähergekommen waren sie sich in den vierzehn Tagen nicht. Thomas mußte die Hoffnung, in René einen gefunden zu haben, der ihm half, sich in das Leben im Projekt Nigersprung – offiziell »Erg In Asaken« – schneller hineinzufinden, aufgeben. Dabei war René bereits neun Monate hier.
    In Gedanken daran zuckte Thomas mit den Schultern. Freilich hätte ihn dennoch interessiert, was es war, das René so bitter reagieren ließ. »Meinst du nicht«, fragte er zaghaft, »daß wir sparsam sein müssen?«
    »Weißt du, wo dieses Wadi hinführt? Natürlich weißt du es. Von hier sind es noch etwa vierzig Kilometer nach Achourat. Aber Achourat, was ist das schon. Ganz unverblümt: ein Nest. Mit unseren Maßstäben gemessen, ein armseliges. Keine tausend Einwohner. Ein Brunnen, ein wenig Lehm, ein Teich, einige hundert Hütten. Wie im Bilderbuch, verstehst du?«
    Thomas verstand nicht. Wenn schon, dachte er. Wo war da der Punkt, über den man sich erregen konnte? Schließlich stand es in fast allen Zeitungen, daß hier in wenigen Jahren moderne Städte, herrliche Parks, blühende neue Landschaften entstehen würden. Wer spricht da von einem Brunnen, von Hütten?
    René lehnte am Trübebehälter. Er sah, das heißt, er starrte wieder dahin, wo die Reiter verschwunden waren, und er fuhr gedankenverloren fort: »Und Kamele natürlich, ein paar, und Palmen, grüne Dattelpalmen, stell dir vor! Und wenn du hinkommst, fallen dir zuerst die enggeflochtenen Zäune auf, rings um den gesamten Flecken. Zäune, weißt du, die dichter nicht sein können und von allen gehütet werden. Denn jeder wird streng bestraft, der es sich einfallen läßt, sie zur Ergänzung des mehr als kargen Heizmaterials zu verwenden. Zäune gegen den Sand. Und jedes Jahr werden sie um einige Meter länger, werden vorgestreckt, gegen die Wüste. Und jedes Jahr werden ein paar Stecklinge mehr gepflanzt, verstehst du? Seit Generationen!« Renés Blick kehrte zurück. Es war, als fiele etwas von ihm ab. Er lächelte verlegen und sagte dann: »Ich dusche mich jetzt auch, und du?«
    Thomas nickte. Was hat er nur? dachte er. Ein Nest, na schön, ein Dorf wie viele andere in der Gegend. Achourat, keine tausend Einwohner, hatte er gesagt. Thomas kannte Achourat nicht. Er hatte in den Tagen seines Aufenthaltes im Objekt Erg In Asaken schon einige solcher Dörfer gesehen. Dörfer, an denen die Entwicklung, die die afrikanischen Staaten in den letzten fünfzig Jahren genommen hatten, vorbeigegangen zu sein schien. Ganz anders als weiter im Süden, unmittelbar am Niger, dort, wo er jetzt gestaut und nach Norden in den Kanal gelenkt wird. Timbuktu, vor einigen Jahrzehnten ein lächerlich kleiner Stützpunkt, der Ort, in dem Mensch und Tier die letzte Rast vor dem langen Durstmarsch durch die Wüste hielten. Und heute?
    Monig dachte an die Überraschung, die er erlebte, als er vor drei Wochen einige Tage in Timbuktu verbrachte. Er

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