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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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lehmverschmierte schwere Schuhe, daraus hervorlugend unordentlich gerollte, ebenfalls schmutzverkrustete Wollsocken und zwei behaarte, knochige Beine. »In wenigen Minuten wird es dunkel. Die kommen heute nicht wieder!«
    Thomas richtete sich ganz auf. Neben ihm stand der riesige Mann mit den breiten Schultern, von der Bohrmannschaft, der, den sie Jack nannten.
    Thomas lächelte unsicher. »Weißt du«, sagte er und räusperte sich, »es ist meine letzte Praktikumsstation, und die würde ich lieber mit einer Aufgabe im Kombinat als auf dem Friedhof beenden.«
    »Ach«, Jack machte eine wegwerfende Armbewegung. »Sieh her«, sagte er dann beruhigend, »sie schießen mit Schrot und aus großer Entfernung. Bisher ist noch keiner daran gestorben.« Jack Beerson hatte sich gebückt und neben einer beträchtlichen Menge Sand einige metallisch schimmernde Plättchen aufgehoben. »Plattgedrückter Schrot«, erklärte er.
    »Sehr beruhigend«, sagte Thomas sarkastisch. »Mit meiner Messerei darf ich jedenfalls von vorn anfangen. Die Zwangszentrierung ist hin.«
    »Ich weiß zwar nicht, was Zwangszentrierung ist. Aber daß morgen noch ein Tag kommt, kann ich mit ziemlicher Bestimmtheit sagen. Wolltest doch sowieso bei uns übernachten.«
    Thomas zuckte mit den Schultern und begann, seine Geräte zusammenzusuchen.
    Und plötzlich war der Bohrlärm wieder da. Irgendwer hatte vorhin den Hauptschalter auf »Halt« gedrückt, als sie kamen.
    Erst jetzt, im Pfatschen der Pumpen, im Rumoren des Haspels schien sich das Ereignis zu verlieren. Aber nicht in Thomas. »Begreifst du das, René?« fragte er.
    René Tours lehnte am Trübebehälter und starrte dorthin, wo die Reiter verschwunden waren.
    Er sieht gut aus, dachte Thomas. Was es nur sein mag, das ihn so ernst macht, das ihn so abwesend sein läßt wie jetzt…
    René sah aus wie einer, der in das Saharaleben paßt, drahtig und zäh, dabei voller Gegensätze – oder entsprach etwa sein scharfgeschnittenes Gesicht den träumenden Augen und dem weichen Zug um den Mund? Glattes Haar hätte ebenfalls weniger abgestochen als die dunklen, jetzt sichtbar angestaubten Lokken.
    Egal, beendete Thomas seine Überlegungen, Hauptsache, ich komme mit ihm aus; und das könnte besser nicht sein.
    »Ja, das tue ich«, antwortete René nach einer Weile. »Ich glaube wenigstens, daß ich sie begreife.«
    »Nein, das meine ich nicht. Ich meine die Leute hier, den Bohrtrupp. Daß sie das so hinnehmen!«
    Jack Beerson, der unweit von ihnen den Rohrstapel einer Prüfung unterzog, drehte sich um. »Die sind gewitzt, hab keine Angst! Jedesmal wenn wir jemanden von der Sicherheit hier haben, kommen sie nicht. Und was denkst du, sollen wir machen? Die Bohrungen aufgeben? Du mußt auch sehen, welche Folgen daraus entstünden. Wenn wir nicht bohren, brauchen die anderen den Kanal nicht zu buddeln, und da dürften wir alle wieder nach Hause. Feierabend. Meine Bude, in der ich vorher meine Brötchen verdient habe, ist ganz und gar zu. Verschlüsse für Panzergeschütze werden eben nicht mehr gebraucht. Nicht einmal Textilien werden in dem Maße hergestellt. Meine Tochter Mary – die Kleine – arbeitet schon seit Monaten halbtags… Aber warum erzählte ich das. Betrifft euch ja nicht…«
    »Hast du ’ne Ahnung«, sagte René. Es war kein Protest, keine Widerrede. Eine Feststellung, und es sah auch nicht so aus, als wäre er gewillt, dem noch etwas hinzuzufügen. Statt dessen fragte er: »Muß es unbedingt hier sein?« Und als ihn Thomas und Jack Beerson etwas verständnislos ansahen, setzte er hinzu: »Ich meine, daß der Kanal unbedingt hier entlanggeführt werden muß. Er könnte beispielsweise einige hundert Meter weiter nördlich oder südlich verlaufen. Ist doch ohnehin alles Wüste.«
    Jack Beerson schüttelte den Kopf, seine dichten grauen Haare wippten. »Redest daher«, sagte er freundlich. »Wir gehen im Wadi entlang. Alles andere kostet Millionen mehr. Das leuchtet sogar mir ein. Du als Vermesser solltest das wissen.«
    »Ich bin kein Vermesser«, sagte René, ein wenig unpassend patzig. »Aber ich weiß das.«
    »Na also«, sagte Jack Beerson. Damit war für ihn die Diskussion zu Ende. »Feierabend«, fügte er noch hinzu, hing den Schutzhelm an einen hervorstehenden Bolzen und entfernte sich in Richtung eines großen Tankwagens, dessen Tarnanstrich unschwer die Herkunft erraten ließ, zog sich dort bedächtig Schuhe, Shorts und Netzhemd vom Leib, drehte die Behelfsdusche auf und begann sich

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