Anti-Eis
Ned.«
Eine Uhr schlug. Ich hielt nach dem Zeitmesser Ausschau und kam
schließlich zu dem Schluß, daß der Mechanismus in
diesem detailliert modellierten Schiff auf dem Sockel verborgen sein
müsse.
Holden überreichte Pocket das leere Glas. »Nun, Sir
Josiah, ich habe zwölf Schläge gezählt; der Stapellauf
steht unmittelbar bevor. Ich schlage vor, wir steigen zu Eurem
Brückendeck hinauf und verfolgen das Spektakel!«
Traveller leerte knurrend das Brandyglas und erhob sich. Dann
erklomm er die ersten paar Stufen der Leiter, die zum Deckenluk
führte und drückte gegen den mit einem Handrad
bestückten Deckel. Pocket ging an der Kabinenwand entlang und
ließ die Sitze wieder einfahren. »Vielleicht bewegt die Albert sich schon, Holden«, sagte ich, »denn ich bin
mir sicher, daß ich Vibrationen durch die Schuhsohlen
spüre.«
Der untersetzte Holden stand mit auf dem Rücken
verschränkten Armen da und sagte: »Vielleicht habt Ihr
recht, Ned.« Er schaute unbehaglich auf Traveller, der noch
immer gegen das geschlossene Schott drückte.
Traveller sagte: »Das ist aber verdammt merkwürdig.
Pocket, hast du…«
Und da erbebte der Boden unter meinen Füßen und
schleuderte mich wie eine Puppe herum. Ein Brüllen, das wie ein
lauter Schrei klang, durchflutete die Kabine, und mir schien es, als
ob dieser Lärm meinen Kopf zum Schwingen brächte; ein
sonnenhelles Licht stach durch die kleinen Bullaugen.
Der Lärm ebbte ab. Ich setzte mich nach Luft schnappend auf
und schaute mich um. Meine Kameraden waren gefallen, wo sie gestanden
hatten. Der zähe Pocket war bereits wieder auf den Beinen; der
korpulente Journalist schwitzte heftig und rieb sich mit allen
Anzeichen der Betrübnis das Hinterteil. Ich machte mir indessen
mehr Sorgen um Traveller, der einige Fuß über dem Boden
auf der Leiter gestanden hatte. Jetzt lag der distinguierte Gentleman
breitbeinig auf dem Rücken und starrte zur geschlossenen Luke
hoch; gleichzeitig war der Zylinderhut vom Haken gefallen und direkt
vor seinen Füßen gelandet.
Ich eilte zu ihm hin. »Seid Ihr in Ordnung?«
Traveller richtete seinen dürren Rumpf auf und sagte in
ruppigem Ton: »Kümmert Euch nicht um mich, Junge; wir
müssen diese verfluchte Luke öffnen…«
Ich legte die Hände auf seine Schultern und versuchte ihn zu
beruhigen. »Sir, Ihr könntet verletzt sein…«
»Ned. Seht Euch das mal an.«
Ich wandte mich um und sah, daß Holden durch ein kleines
Bullauge schaute. Pocket stand an seiner Seite, rang nervös die
Hände und wußte offenbar nicht, wohin er sich wenden
sollte.
Traveller nutzte die Tatsache, daß ich abgelenkt war, schob
mich mit erstaunlicher Kraft beiseite, stand auf und schwang sich
erneut auf die Leiter.
Ich stand ebenfalls auf – wobei ich feststellte, daß
das Deck wieder auf diese seltsame Art vibrierte – und ging zu
Holdens Aussichtspunkt hinüber.
Wo sich ehedem zwei Schornsteine über dem zentralen
Kesselraum der Albert erhoben hatten, war jetzt nur noch
einer; an der Position des anderen befand sich nur mehr ein maximal
sechs Fuß hoher rauchender Stumpf, der wie ein verfaulter Zahn
aussah, und überall lagen Fragmente aus verbogenem Metall herum,
wobei auf einigen kleinen Stücken noch der stolze bunte Anstrich
zu sehen war.
Die Fichten des mobilen Waldes waren gefällt und versengt.
Zwischen den zersplitterten Bäumen kroch etwas Rotes und
Verstümmeltes dahin. Meine Kehle war wie zugeschnürt, und
ich wandte mich ab.
»Großer Gott, Holden«, sagte ich und versuchte, in
der rauchgeschwängerten Luft zu atmen, »ist der Kesselraum
explodiert?«
»Sicher nicht«, erwiderte Holden, dessen schwarzes Haar
wirr über den schwitzenden roten Augenbrauen hing. »In
diesem Fall wäre die Zerstörung viel größer
gewesen und hätte selbst die Decks aufgerissen.«
Die Vibrationen des Bodens verstärkten sich zu einem
stetigen, rhythmischen Rütteln und intensivierten mein
Gefühl der Übelkeit. Ich stützte mich an der
lederbezogenen Wand ab. »Was ist denn nun geschehen?«
»Erinnert Ihr Euch an unsere Expedition in den Kesselraum, in
deren Verlauf wir die Wärmetauscher-Röhren sahen, die sich
um die Dampfrohre wickelten? Und da gab es auch noch einen
Absperrhahn…«
»Ja. Jetzt erinnere ich mich wieder. Und dieser komische
Kauz, Dever, wies noch in apokalyptischem Ton auf die Konsequenzen
hin, die ein Schließen des Absperrhahnes haben
würde.«
»Ich befürchte, daß genau diese Ereigniskette
eingetreten ist«, sagte
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