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Anti-Eis

Anti-Eis

Titel: Anti-Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
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Holden mit ungewöhnlich harter
Stimme.
    »Pocket!« Traveller war immer noch mit dem klemmenden
Schott beschäftigt. »In Gottes Namen, hilf mir!«
Pocket kletterte zu ihm hinauf; dann standen sie dicht beieinander
auf der Leiter und zerrten an dem Stellrad, das die Luke eigentlich
öffnen sollte.
    Ich beobachtete sie abwesend. »Holden, es sind sicher viele
Leute verletzt worden.«
    Er musterte mich einen Moment lang, wobei sich Besorgnis in seinem
runden, pockennarbigen Gesicht widerspiegelte, und dann berührte
er die Wand und ließ einen Sitz ausklappen. »Ned, setzt
Euch.«
    Ich ließ mich von ihm zum Sitz geleiten; angenehmerweise
absorbierte die Polsterung diese merkwürdige Dauervibration.
»Aber wie konnte sich ein solcher Unfall nur ereignen? Die
Besatzung des Schiffes war doch sicher über diese elementaren
Gefahren informiert.«
    »Diese Katastrophe war kein Zufall, Ned.«
    Ich runzelte die Stirn. »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Daß der Absperrhahn vorsätzlich geschlossen
wurde. Und als der Kapitän Druck in den Kesseln aufbaute und
Fahrt aufnahm, exakt um zwölf Uhr, strömte Dampf in die
trockengelaufene und hocherhitzte Röhre – mit den
verheerenden Konsequenzen, die wir beobachtet haben.«
    »Ned, ich glaube, daß ein Saboteur für diesen
verwerflichen Vorgang verantwortlich ist.«
    Ich schüttelte den Kopf; die schnelle Abfolge der Ereignisse
erschien mir irreal und rief ein Gefühl der Betäubung
hervor. Ich konnte Holdens Worte kaum erfassen. »Aber warum
sollte hier ein Saboteur am Werk gewesen sein?«
    »Wir müssen davon ausgehen, daß die Preußen
dafür verantwortlich sind«, sagte Holden scharf und mit
schmallippigem Mund. »Schließlich haben sie auch mit ihrer
geschickt inszenierten Emser Depesche den Krieg mit Frankreich
angezettelt. Vielleicht ist dieser Vorfall eine Emser Depesche
für unseren König, was? Bei Gott; nun, wenn sie glauben,
den Löwen am Schwanz packen zu können…«
    Aber ich hörte kaum zu, denn ein bislang inaktiver
Schaltkreis begann in meinem Kopf zu arbeiten.
»Holden…«
    »Keine Zeit! Keine Zeit!« Traveller sprang von der
Leiter herab und klappte erneut die Sitze aus. »Setzt euch alle
hin! Es befinden sich Sicherheitsgurte unter den Sitzen; Vicars, ich
werde Euch helfen. Pocket, sorge dafür, daß dieser fette
Bursche sich hinsetzt!«
    Aber ich nahm Sir Josiahs unverständliches Verhalten –
sogar die Verwendung meines richtigen Namens – nur wie durch
einen Schleier wahr. »Holden, ich kann mich nicht mehr an die
Konstruktion des Schiffes erinnern.« Ich stellte fest, daß
ich gegen einen zunehmenden Lärm anschrie, der wie das Rauschen
eines Wasserfalls irgendwo unter unseren Füßen klang.
Traveller hing mit flatternden Rockschößen über mir,
als er mir die patentierten Sicherheitsgurte um Hüfte und Brust
legte. »Holden!« schrie ich. »Es sind doch
Schornsteine durch den Großen Salon verlaufen,
richtig?«
    »Richtig, Junge.«
    Nun setzten sich auch Traveller und Pocket; bald saßen wir
vier angegurtet auf unseren Plätzen, und zwar so, daß wir
die kleine Kabine in der Art eines Kompanten besetzten, wobei jeder
von uns eine Himmelsrichtung markierte. Wir sahen uns besorgt an.
»Und der explodierte Schornstein«, rief ich Holden zu,
»war das einer von denen, die durch den Salon verliefen?
    Er war einer von ihnen, nicht wahr?«
    »Ned, es gibt nichts, was Ihr noch tun
könntet.«
    Jetzt vibrierte die gesamte Phaeton, aber alles, was ich
sah, waren diese verspiegelten Röhren, die sich durch den
überfüllten Salon zogen. Es mußte Hunderte von Toten
gegeben haben.
    Und…
    »Ich muß zu ihr.« Ich versuchte aufzustehen,
sackte auf den Sitz zurück, als die Gurte sich strafften und
fummelte an den Verschlüssen herum, die sich an der Hüfte
und auf dem Oberkörper befanden.
    »Vicars, ich bitte Euch!« Travellers Stimme war ein
Brüllen, das sogar das übernatürliche Getöse
unter unseren Füßen überlagerte. »Bleibt auf
Eurem Sitz!«
    Die Gurte lösten sich; ich erhob mich und packte die
Leiter.
    Erneut erzitterte der Boden unter mir; durch das nächste
Bullauge erhaschte ich einen Blick auf das Inferno – ein
heftiges Beben erschütterte das Promenadendeck, heißer
Dampf quoll aus dem aufgerissenen Metall, und Leute flohen schreiend
vor dem Dampf – und dann spürte ich ein kurzes Gefühl
des Falls, eine gedämpfte, dumpfe Explosion unter dem Boden, und
ich wurde wieder zur Seite geschleudert.
    Ich prallte auf den Boden. Ich fühlte Blut

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