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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Urhorde und Vatermord aus Totem und Tabu wieder auf und nahm sie modellhaft für die Masse und den Führer. Freuds Massenpsychologie zufolge geht das Individuum in der Horde auf; die Gefühle und Gedanken aller richten sich gleichförmig aus; die unbewussten Kräfte regieren, und die Bedürfnisse drängen nach sofortiger Befriedigung.
    Der Führer der Horde sei frei, er agiere vernünftig und unabhängig. Sein Wille sei nicht an den der anderen gebunden; sein Ich weitgehend unbeeinflusst von der Libido; »er liebte niemand außer sich, und die anderen nur, insoweit sie seinen Bedürfnissen dienten. Sein Ich gab nichts Überschüssiges an die Objekte ab.« ( Massenpsychologie und Ich-Analyse, Bd. XIII, S. 138) Der Vater der Urhorde, der marxistisch-leninistische Revolutionär, aber auch Kanzler Dollfuß oder Mussolini und Stalin fielen aus Freuds Sicht in eine Kategorie – sie entsprachen Nietzsches Übermenschen!
    Freud verkannte die ontologische Natur des nietzscheschen Übermenschen völlig und annektierte das Konzept für die eigenen Zwecke – ein Vorgehen, das durchaus dem faschistischen und autoritären Zeitgeist entsprach. Die Lektüre von Also sprach Zarathustra zeigt, dass sich der Übermensch der Tragik der Wirklichkeit bewusst ist, weil er das Prinzip der ewigen Wiederkehr des Gleichen begriffen hat. Er weiß, dass der freie Wille eine Illusion ist und dass es keine andere Lösung gibt, als die Tragik zu akzeptieren, zu lieben, um auf diesem Weg Freude empfinden zu können. Das ist Nietzsches Übermensch.
    Freuds Stammesvater entspricht ziemlich genau dieser Figur: »Zu Eingang der Menschheitsgeschichte war er der Übermensch, den Nietzsche erst von der Zukunft erwartete. Noch heute bedürfen die Massenindividuen der Vorspiegelung, daß sie in gleicher und gerechter Weise vom Führer geliebt werden, aber der Führer selbst braucht niemand anderen zu lieben, er darf von Herrennatur
sein, absolut narzißtisch, aber selbstsicher und selbständig.« (ebd., S. 138) Freuds Übermensch ist der Urvater, der Vater aller Väter, der nichts und niemanden liebt bis auf sich selbst. Er ist eifersüchtig, intolerant, im Besitz aller Frauen und verbietet seinen Söhnen den Zugang zu ihnen sowie jede Gefühlsbeziehung. Freuds Übermensch ist der Erfinder der Massenpsychologie. Auf weniger als einer Seite gelangt Freud vom Stammesvater der Urhorde über Nietzsches Übermenschen zu den Königen und Führern.
    Der Anblick und die Macht des Führers hypnotisieren die Massen. Denn der Hypnotiseur erweckt im Einzelnen »ein Stück von dessen archaischer Erbschaft« (ebd., S.142) und lässt die dunklen Kräfte wieder aufleben. »Der Führer der Masse ist noch immer der gefürchtete Urvater, die Masse will immer noch von unbeschränkter Gewalt beherrscht werden, sie ist im höchsten Grade autoritätssüchtig, hat nach Le Bons Ausdruck den Durst nach Unterwerfung. Der Urvater ist das Massenideal, das an Stelle des Ichideals das Ich beherrscht.« (ebd.)
    Mit Verweis auf Ferenczis Analysen erklärte Freud, der Hypnotiseur versuche das Subjekt zum Einschlafen zu bringen. Damit setze er sich »an die Stelle der Eltern« (ebd., S. 141), wobei die Mutter zu Schmeicheleien und der Vater zu Drohungen greife. Die Hypnose verlange die völlige Abkehr von der Welt und die Konzentration auf die Person, die einschlafen will. Der Hypnotiseur blende die Wirklichkeit aus. Dieser Mechanismus wirke auch auf das Individuum in einer Masse, die ihrem Führer gegenübersteht: Es regrediere und werde zu einem gehorsamen Sohn.
    Schlussendlich lassen sich Freuds politische Ansichten also folgendermaßen zusammenfassen: Die Welt teilt sich in Urhorde und Stammesvater, Masse und Führer, Menge und Übermensch. Übertragen auf den zeitgeschichtlichen Kontext finden wir Freuds Schema bei den Österreichern mit Dollfuß, den Italienern mit dem Duce sowie den Deutschen mit ihrem Führer.
    Die Masse ist barbarisch, intolerant und brutal; sie achtet nur
die Macht, will beherrscht werden, ist konservativ, enthemmt und widerspruchsfrei; sie kennt die Wahrheit nicht, ist leicht beeinflussbar und leichtgläubig; ihre Empfindungen sind schlicht; sie ist leicht zu erregen, kümmert sich nicht um Logik, benötigt immer wieder dieselben Erklärungen, hat nur vor Stärke Respekt, braucht einen starken Helden, unterliegt der magischen Kraft der Wörter, mit denen man aufhetzen oder befrieden kann; sie liebt Illusionen und unterwirft sich einer Persönlichkeit, deren

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