Antonio im Wunderland
kommt, aber er ist
dafür wohl viel zu berühmt. Robert De Niro müsste aber
gar nicht zu Besuch kommen, er ist für die stolzen Be-
wohner von Molise auch so einer der ihren, der be-
rühmteste Sohn der Region – und das, obwohl er in
New York geboren ist.
Nach dem Essen muss ich mal für kleine Schwieger-
söhne. Die Toilette erweist sich als enigmatischer, weil
vollkommen verspiegelter Höhepunkt modernen Bade-
zimmerdesigns. Sogar Waschbecken, Pissoirs, Boden
und Decke sind mit Spiegeln verkleidet. Man fühlt sich
wie ein Echo.
Als ich wieder an unseren Tisch komme, sind Benno
und Antonio weg. Natürlich. Ich sehe mich um, checke
den Raum mit meinem Antonio-Suchblick 1 . Ich sehe ihn zwar nicht, aber ich höre ihn. Er hat soeben ge-lacht, und dieses einer Heulboje nicht unähnliche Ge-
1 Es handelt sich um einen Blick, den auch Eltern von Kleinkindern draufhaben und auf Kinderspielplätzen, Kindergartensommer-festen und im Supermarkt anwenden, indem sie die Umgebung
selektiv röntgen und nur nach bestimmten Schlüsselreizen Ausschau halten, also roten Mützen oder blonden Haaren. So lassen sich auch größere Menschenmengen rasend schnell scannen.
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räusch kam von rechts. Ich blicke mich um, und da
sitzt er mit Benno vier Tische weiter – neben dem De
Niro-Verschnitt. Das muss doch jetzt nicht sein, oder?
Ich gehe rüber, und je näher ich ihnen komme, desto
kleiner werden meine Zweifel. Ich stehe nun genau vor
dem Tisch – von Robert De Niro.
Der Mann sieht nicht so aus, er ist es, leibhaftig. Er
ist mit einer schönen blonden Frau da und einem ande-
ren Pärchen, keine Prominenz, so weit ich das beurtei-
len kann. Als er mich sieht, sagt er auf Italienisch: «Ist er das?» Sein Italienisch ist ein amerikanisches Italienisch, nicht super, aber ganz gut, soweit ich das beur-
teilen kann. Antonio antwortet: «Ja, mein Schwieger-
sohn, er ist Deutscher, aber das macht nichts. Ich liebe
ihn wie einen Sohn. Oder sagen wir mal so: wie einen
unehelichen Sohn.» Robert De Niro reißt die Augen auf
und lacht sich kaputt. Ich hoffe, dass jetzt der Wecker
klingelt und alles nur ein böser Traum ist. Aber Robert
De Niro steht auf und gibt mir die Hand.
«Hi, ich bin Robert De Niro. Kommen Sie zu uns.»
Ich setze mich auf einen Stuhl, der nun vom Kellner
gebracht wird. In Windeseile kommt auch noch ein
Tisch, und es wird angebaut. Unsere Gläser, die Pflan-
ze und den anderen Kram, den Benno und Antonio
durch die Stadt geschleppt haben, werden von unsicht-
baren Schergen herübergetragen. Mister De Niro stellt
mich seinen Freunden vor. Sie sagen, dass sie es schön
fänden, mich zu treffen. Ich erwidere, dass ich entzückt
sei, ihre Bekanntschaft zu machen.
«Wir sprachen gerade von zu Hause», sagt Robert De
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Niro und zeigt auf Antonio, der knallrot im Gesicht ne-
ben ihm hockt und sich gar nicht beruhigen kann vor
lauter Stolz. «Wir haben dieselben Wurzeln. Dein
Schwiegervater kannte meine Nonna.» Ist das nicht
unglaublich? Kennen ist zwar leicht übertrieben, aber
ich werde mich hüten, hier mit unpassenden Kommen-
taren die Stimmung zu vergiften.
«Ja, das ist wirklich ein Zufall, Sir», sage ich also.
«Nenn mich Robert.»
«Wir wollen nicht stören, Robert. Ich bin sicher, Sie
werden häufig angesprochen. Es tut mir sehr Leid, dass
mein Schwiegervater Sie belästigt hat.» Ich fühle mich
unwohl. Wer weiß schon, was Antonio ihm aufgetischt
hat. Und Roberts Freunde sehen nicht so aus, als ob
ihnen die Situation gefiele.
De Niro legt den Kopf schief und lächelt. Er legt kumpelhaft den Arm um Antonio.
«Ich habe noch nie jemanden getroffen, der sie
kannte. Meine Nonna!» Robert ist ehrlich berührt. Er
macht dieses weltbekannte Knatschgesicht, als würde
er gleich anfangen zu heulen. Es ist verblüffend. Er
sieht wirklich aus, wie man ihn aus dem Kino kennt. 1
Das Muttermal auf seiner rechten Wange, die unauffäl-
lige Frisur, die Augen. Robert und Antonio sind beina-
1 Robert De Niro sieht eigentlich meistens aus wie Robert De Niro.
Zu den wenigen Filmen, in denen er sich wirklich sehr verkleidet hat, gehört «Frankenstein» (Monster mit ziemlich vielen Narben),
«Wie ein wilder Stier» (Boxer mit starkem Übergewicht) und «Kap der Angst» (Verbrecher mit langen Haaren und vielen Tätowie-rungen).
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he derselbe Jahrgang. 1 Die beiden verstehen sich auf Anhieb. Hoffentlich kommt Antonio jetzt nicht mit
Mauro Conti um die
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