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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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wird. Energie, Bewegung, Entropie …«
    »Gott?«, schlug Miss Preussler vor.
    »Gott«, bestätigte Mogens ungerührt. »Gleich, was. Irgendetwas muss da sein . Und alles, was ist , vergeht irgendwann. Die Dunkelheit ist immer da. Sie ist die Bühne, auf der das Stück des Lebens gespielt wird. Doch wenn der letzte Vorhang fällt, dann wird die Dunkelheit noch immer da sein.«
    Fast zu seiner Überraschung dachte Miss Preussler tatsächlich einen Moment lang angestrengt über diese Worte nach, aber dann schüttelte sie nur umso entschiedener den Kopf. »Das ist kein schöner Gedanke«, sagte sie. »Das will ich nicht glauben. Lehrt man solcherlei Unsinn an Ihren Universitäten? Dann wundert es mich nicht, dass es um unsere Jugend so schlimm steht.«
    »Und vor allem um ihre Pünktlichkeit.« Graves trat gebückt durch den Eingang und ließ sich mit einem übertriebenen Ächzen am Rand des Schachtes in die Hocke sinken. Seine Gelenke knackten hörbar. »Ich werde ein ernstes Wort mit Tom reden müssen, wenn das hier vorbei ist. Ich weiß nicht, was der Junge treibt. Immer, wenn ich da bin, ist er dort, und andersherum.«
    »Wahrscheinlich hat er gerade das Märchen vom Hasen und dem Igel gelesen«, sagte Mogens amüsiert.
    Graves spießte ihn mit Blicken regelrecht auf, enthielt sich aber jeden Kommentars, sondern beugte sich vor und spähte einen Moment lang so konzentriert in den Schacht hinab, als könne er all die Antworten, die in der Dunkelheit dort unten verborgen waren, einfach herbeizwingen, wenn er es nur beharrlich genug versuchte.
    »Unsere Zeit wird allmählich knapp«, sagte er schließlich.
    Mogens zog die Taschenuhr hervor, klappte den Deckel auf und erschrak. »Es sind nur noch wenige Minuten bis Mitternacht.«
    Graves’ Blick wurde fast verächtlich. »Niemand hat je gesagt, dass wir genau zur Geisterstunde dort unten sein müssen«, sagte er liebenswürdig.
    »Aber ich dachte …«
    »Meinen Berechnungen nach müsste sich das Tor irgendwann innerhalb der nächsten Stunde öffnen und bis morgen Mittag geöffnet bleiben. Natürlich kann man es nicht auf die Minute genau sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher.«
    Das war eine interessante Information, dachte Mogens verärgert. Graves hatte bisher nichts von irgendwelchen Berechnungen gesagt, und er war sogar ziemlich sicher, dass ihm die Worte auch jetzt nur versehentlich entschlüpft waren. Einweiterer Minuspunkt in Graves’ Bilanz. Aber die sah sowieso katastrophal aus.
    »Welches Tor?«, fragte Miss Preussler misstrauisch. »Sie wollen sich doch nicht schon wieder mit irgendwelchen unchristlichen Riten beschäftigen, Doktor.«
    »Vor«, verbesserte sie Graves arrogant. » Vor christlich, meine Liebe. Nicht un christlich.« Er hatte immer noch nicht endgültig akzeptiert, dass es ihm nicht gelungen war, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, und verlegte sich nun aufs Bocken.
    »Das ist für mich kein Unterschied, Doktor«, beschied ihn Miss Preussler. »Ketzerei bleibt Ketzerei.«
    Graves setzte zu einer wütenden Antwort an, beließ es aber dann nur bei einem trotzigen Verziehen der Lippen und stand mit einem Ruck auf. »Ich werde noch einmal sehen, wo Tom bleibt«, grollte er im Hinausgehen. »Und vielleicht suche ich bei der Gelegenheit auch gleich Holz für einen Scheiterhaufen.«
    Mogens sah ihm kopfschüttelnd nach, wandte sich aber trotzdem mit einer besänftigenden Geste wieder zu Miss Preussler um. Er gönnte Graves jeden einzelnen Nadelstich, den sie ihm versetzte, aber es mochte sein, dass sie in weniger als einer Stunde darauf angewiesen waren, einander ihr Leben anzuvertrauen.
    »Ja, ich weiß, es ist schon gut«, kam sie seinen Worten zuvor. »Das war dumm. Aber es fällt mir nun einmal schwer, Sympathien für diesen Mann zu empfinden.«
    »So wie mir«, sagte Mogens.
    »Warum sind Sie dann mit ihm gegangen?«
    Mogens wusste sehr wohl, dass er jetzt besser beraten wäre, nicht zu antworten oder allenfalls mit einer Ausflucht oder einer frommen Lüge, aber zugleich hatte er auch plötzlich das Gefühl, ihr wenigstens jetzt die Wahrheit schuldig zu sein. »Ich dachte, es wäre meine letzte Chance«, sagte er.
    »Ihre letzte Chance? Worauf?«
    »Wieder ins Leben zurückzukehren«, antwortete Mogens leise. »Allem zu entkommen. Dieser schrecklichen Universität. Dieser Stadt mit ihrer Enge und Kleinmütigkeit. Diesem furchtbaren Zimmer. Ihnen.«
    »Oh«, machte Miss Preussler.
    »Das war es, was ich damals dachte«, fuhr Mogens ruhig

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