Anwaltshure 4
die Luft an.
Jane grinste und ihr Blick, so von unten herauf, wirkte überwältigend. »Er hat noch keinen blassen Schimmer. Stimmt’s?«
»Mmmmh … stimmt.«
»Denkst du, er wird dich so ohne Weiteres gehen lassen?« Ihre Stimme hatte einen gewissen Ernst angenommen.
»Es wird ihm nichts anderes übrig bleiben. Außerdem hat er längst Ersatz gefunden. Er hat ihr sogar schon ein Apartment gekauft.«
Mit dem Kopf schüttelnd, nahm sie einen weiteren Schluck, setzte das Glas wieder ab und zündete sich eine Zigarette an. Ich freute mich ein bisschen, dass selbst eine perfekte Frau wie Jane eine Schwäche hatte.
»Das meine ich nicht. Nicht beruflich gesehen. Ich denke, George liegt was an dir. Von Anfang an. Es war mir klar, als er sich damals so gesorgt hat, ob du in dem Job zurechtkommst, wo er mich förmlich zum Babysitter gemacht hat. Und später auch. Er hat dir immer Kunden zukommen lassen, die nicht abstoßend waren, keine zu bizarren Wünsche hatten. Um all das hat er sich bei den anderen Mädchen nie geschert. Und als das mit Derek angefangen hatte …« Sie hob den Kopf und fixierte meine Blicke. »Emma, er hat getobt! Ist durchgedreht. Ich war dabei. Ich hab ihn nie zuvor so die Kontrolle verlieren sehen.«
Ich starrte sie an. »Willst du damit sagen, George sei in mich verliebt?« Es kam mir selbst so unwahrscheinlich vor, dass ich meinen eigenen Worten wie denen einer Fremden lauschte.
»Wieso sollte er sonst all das aufgefahren haben, um eure Beziehung zu unterbinden? Er hat Himmel und Hölle in Bewegung versetzt. Dieser Russe, mit dem du dich verlobt hast, den hat er extra für dich ausgewählt. Mit allem Bedacht. Und als selbst das nicht gefruchtet hatte, hat er Laura ins Spiel gebracht. Er hat die beiden richtiggehend verkuppelt.«
»Das glaube ich nicht, Jane! Das kann ich nicht glauben! Er kann das nicht alles geplant haben!« Meine Worte klangen hohl in meinen Ohren.
»George ist der gerissenste Hund, den ich kenne. Wenn ein normaler Mann fünf Schachzüge im Voraus denken kann, dann schafft George zwanzig.«
Ich richtete mich sehr gerade auf. »Und wenn. Es ist mir gleichgültig. Soll er machen, was er will. Er hat mich abgestoßen. Das hat er mir selbst gesagt. Und als ich ihn damals wollte, hat er mir klipp und klar gesagt, dass das nicht in Frage käme. Dass ich nie mehr von ihm bekommen würde, als ein paar Ficks. Niemals Gefühle.«
In dem Moment lehnte Jane sich zu mir herüber, ihr Parfum umgab mich wie ein Kokon. Sie legte den Arm um meine Schultern und gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. »Du bist noch das gleiche Mädchen, das damals neben ihm aufgetaucht ist und das mit großen Augen diese neue Welt betrachtet hat. Du hast dich keinen Deut geändert.« Sie blinzelte mir aufmunternd zu.
»Danke«, sagte ich etwas niedergeschlagen.
Vielleicht hatte sie ja recht. Vielleicht hatte ich wirklich nicht gelernt, in den Köpfen der Männer zu lesen. Aber vielleicht wollte ich das ja auch gar nicht. »Können wir das Thema wechseln? Ich mag nicht mehr über George und Derek reden.«
Ihr Arm glitt herab und sie leerte ihren Drink. Im nächsten Augenblick fand sich der Kellner ein, nahm das Glas und die neue Bestellung entgegen.
Ich hatte noch nicht mal die Hälfte getrunken und fühlte mich bereits leicht benommen. Mühsam suchte ich nach einer Möglichkeit, den Grund anzusprechen, aus dem ich sie hatte treffen wollen. Aber jetzt saß ich da, den Kopf im Nebel und konnte nur ihre festen kleinen Brüste in der engen Jersey-Bluse anstarren, die einen seidigen Schimmer hatte und die Farbe ihrer Augen aufzunehmen schien.
»Und über was möchtest du stattdessen sprechen?« In ihren Augen blitzte der Schalk.
»Ich habe mir schon ein Büro in meinem Apartment eingerichtet. Das würde ich dir gern zeigen.«
»Jetzt?«
Es war mir nicht klar, ob es ein Hinweis auf den fortgeschrittenen Abend sein sollte, der dieses Unternehmen unmöglich machte, oder einfach eine Nachfrage bezüglich meiner Ernsthaftigkeit.
»Ja. Warum nicht?«
»Also gut.« Noch ehe ich etwas hinzufügen konnte, leerte Jane, bereits halb stehend, ihren Drink und legte das Geld für unsere Bestellungen samt üppigem Trinkgeld auf den Tisch. »Na los! Worauf wartest du?«
Wie schon damals war Jane im Handumdrehen zum Zugpferd avanciert. Sie rief auch das Taxi und gab meine Adresse als Ziel an. Dass sie sich die gemerkt hatte, erfüllte mich mit Stolz.
Als ich die Tür zum Agenturzimmer aufgestoßen und das
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