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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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letzter Fetzen seines alten Ichs tauchte wieder auf, ganz plötzlich und wie reingewaschen. Der kleine helle Ort tief in seinem Innern wuchs im gleichen Maße wie die silbrige Helligkeit von draußen durch die Vorhänge drang.
    Aber dann drehte er sich um und sah das kleine Mädchen mit dem tränenüberströmten Gesicht, das da auf seinem Bett saß und die Tür anschaute. Immerzu die Tür ansah.
    Er ging zum Fenster und rang schluchzend nach Atem. Ein kleiner Teil in ihm versuchte immer noch anzuzweifeln, dass solche Dinge überhaupt existierten, und behauptete, seine Erschöpfung sei daran schuld, dass die Produkte seines kranken Unterbewusstseins neuerdings direkt vor seinen Augen standen. Wenn er die Vorhänge aufriss, das Fenster öffnete und tief Luft holte, dann würde er sich gleich darauf umdrehen können, und das tränenüberströmte Gesicht würde nicht länger zur Zimmertür starren.
    Aber kaum hatte er den Vorhang beiseitegezogen, sah er wie gebannt in den vergammelten Hinterhof. Dort unten auf dem Platz, wo längst ein weiterer Apartmentblock hochgezogen worden war, schien eine kleine Gruppe von früheren Bewohnern zu ihm heraufzuglotzen. Gestalten mit tief in den Höhlen liegenden Augen. Und hinter den Geländern und in den kleinen Betongräben vor den Souterrainwohnungen sah er Bruchstücke von weißen Figuren, die ihre Arme hoben und versuchten, sich an den kalten Eisengittern festzuklammern. Die Haltung ihrer Köpfe und die Zuckungen ihrer vertrockneten Papiermünder machten ihm deutlich, dass sie die Bewegung des Vorhangs bemerkt hatten. Und nun forderten sie ihn auf, ihnen zu Hilfe zu eilen, weil er der Einzige war, der sie in ihrem beklagenswerten Zustand überhaupt bemerkt hatte.
    Er ließ die Vorhänge wieder zufallen und taumelte mit geschlossenen Augen zum Bett zurück. Mit einem hastigen Schlag auf den Schalter löschte er das Licht. Dann rollte er sich am Fuß der Matratze zusammen und wimmerte vor sich hin.
    »Mein Papa kommt bald. Er hat mir gesagt, ich soll warten«, sagte das Mädchen.

23
    Piotr saß hinter dem breiten Pult und sprang hastig auf, als er sie kommen sah. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und sagte: »Hallo, Miss Apryl. Was kann ich tun für Sie heute? Brauchen Sie vielleicht einen Schirm?«
    Es regnete schon wieder, und sie war auf dem Weg von Bayswater nach Knightsbridge nass geworden. Ihre Stimmung verschlechterte sich schlagartig, als sie den grinsenden Piotr auf seinem Posten bemerkte. Sie hatte gehofft, Stephen wäre da. »Tut mir leid, dass ich den Teppich nass mache.« Langsam wurde ihr wieder warm, nach dem kalten Wind und dem heftigen Regenguss draußen. Die stickige Luft in der Eingangshalle machte sie ein wenig schwindelig.
    Überall um sie herum glänzten die Türgriffe aus Messing. Das Glas der Eingangstüren und die Bilder an den Wänden waren blank poliert. Dem dicken sauberen Teppich schienen ihre schmutzigen Stiefel überhaupt nichts anhaben zu können. In diesem Teil des Gebäudes war alles in schönster Ordnung – staubfrei und hell erleuchtet – , aber dennoch lag über allem der Geruch des Verfalls, der von irgendwo anders herkam. Die Eingangshalle war nur Fassade. Hinter diesem hell erleuchteten warmen Raum konnte sie schon den diffusen Schimmer der Treppenhäuser und die Düsternis der vergammelten Wohnungen wahrnehmen. All das wartete oben auf sie und machte ihr Angst. Wie schnell ihr Eindruck von diesem Gebäude sich doch gewandelt hatte. Durch ihren Aufenthalt im Hotel und nach einigen Sightseeing-Touren in der Stadt hatte sie Abstand gewonnen, war wieder zu sich gekommen. Doch kaum stand sie wieder hier, spürte sie auch schon, wie Angst und Verwirrung sich in ihr ausbreiteten.
    Zum Glück dauerte es nicht mehr lange, bis sie diesen Ort für immer hinter sich lassen konnte. Der Reinigungstrupp würde diese Woche kommen, und dann waren die Makler an der Reihe. Danach musste sie nie mehr hierher zurückkommen. Bestimmt nicht.
    »Bin in ein ganz schönes Unwetter geraten«, sagte sie lachend und strich sich über die nassen Haare. »In dieser Stadt weiß man nie, wie das Wetter wird. Als ich in Bayswater losgegangen bin, war strahlend blauer Himmel.«
    Sie bemühte sich, weiter freundlich zu lächeln, aber die Leutseligkeit des fetten Portiers war ihr eher unangenehm. Es wirkte immer so, als wollte er sie anmachen. Er kam um das Pult herum und stellte sich zu dicht neben sie, streckte eine Hand aus und fasste sie am Ellbogen. »Bitte.

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