Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
noch dieser Schlag zu hören gewesen war. Und als jemand auf der anderen Seite versuchte, den Türgriff zu bewegen, um herauszukommen, hatte Seth den Eindruck, er würde das deutliche Scharren von tierischen Klauen auf dem Holzfußboden hören.
Der Wind und die Stimmen waren verschwunden, die roten Lichter eingeschaltet. Die Gemälde waren alle wieder mit Tüchern verdeckt, und Mr. Shafer war tot. Das konnte Seth auf den ersten Blick erkennen. Seine Augen waren verdreht, sodass man nur noch das Weiße sah, der Mund stand weit offen, die Hände waren zu Krallen verkrampft und die Beine in einem grotesken Winkel verbogen. Ein Mensch, der so dalag, hatte keinen Funken Leben mehr in sich.
Aber seine Frau bewegte sich noch. Sie kniete vor der Wand gegenüber der Tür und wiegte sich hin und her, während sie in den Spiegel sah, als hätte sie darin etwas verloren. Auch ihre Lippen bewegten sich, aber es kam kein Ton aus ihrem Mund.
Seth schloss sie in Apartment sechzehn ein, für den Fall, dass sie wiederkamen, und schleppte das eiskalte Bündel, das einmal ihr Ehemann gewesen war, durchs Treppenhaus hinunter in ihre Wohnung. Dann legte er den leblosen Körper ins Bett und zog ihm die Decke hoch bis ans Kinn. Und die ganze Zeit bemühte er sich, ihm nicht ins Gesicht zu sehen. Anschließend ging er los, um auch Mrs. Shafer zu holen oder das, was von ihr übrig geblieben war.
Sie kniete immer noch an der gleichen Stelle, wiegte sich jetzt aber vor und zurück. Offenbar war ihr Verstand durchgebrannt wie eine elektrische Sicherung. Sie leistete keinen Widerstand, als er sie aufrichtete und aus der Wohnung in den Aufzug führte.
»Die is’ am Ende, Seth«, sagte der Junge mit der Kapuze, der wieder aufgetaucht war, als Seth mit Mrs. Shafer aus dem Apartment getreten war. »Die sagt nix mehr. Ihr Kopf is’ innen total kaputt. Er wollte vor allem den Mann haben. Vergiss nich’ sein’ Stock. Nimm ihn mit, wenn du die Alte runterbringst. Da wo er jetzt is’, braucht er ihn bestimmt nich’ mehr. Hast du gut gemacht, Kumpel. Unser Freund wird sich freu’n.«
»Ich will das nicht mehr tun. Es ist jetzt vorbei. Sag ihm das.«
»Nee, nee. Du sagst uns nich’, was zu tun is’. Wir sagen’s dir, so is’ das. Und ich glaub, du bist jetz’ reif für was Nettes, weil du uns so gut geholfen hast. Da kommt bald was Schönes für dich. Was Besseres als diese alten Säcke.«
Seth warf dem nach Rauch stinkenden Kerl in der schmuddeligen Kapuze einen wütenden Blick zu und führte Mrs. Shafer hinter ihm her in ihre Wohnung. Er beschloss, es wäre das Beste, wenn sie neben dem Bett kniete. Die Shafers wurden nur gelegentlich von einer Pflegerin besucht, aber sie kamen jeden Tag nach unten, um eine kleine Runde durch die Geschäfte an der Motcomb Street zu drehen. Piotr würde sicherlich bald merken, dass sie nicht erschienen. Und dann würde er nachschauen.
29
»Apryl, bitte, jetzt mal langsam. Bleib auf dem Teppich. Ich muss mir ja Sorgen um dich machen. Und ich meine richtige Sorgen.« Miles beugte sich über seinen Schreibtisch, die Finger krampfhaft verschränkt, und versuchte, in Apryls aufgeregt leuchtende Augen zu blicken. Sie ruckten umher und blinzelten hektisch, als würden allzu viele Gedanken gleichzeitig durch ihren Kopf rasen.
»Herrje, ich mache mir ja selbst schon Sorgen um mich.« Sie stand wieder von ihrem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtischs auf. Sie konnte nicht still sitzen bleiben und lief durch den Raum zur Tür. Dann blieb sie stehen und legte beide Hände an die Wangen. »Ich muss es tun, Miles. Ich muss etwas tun. Ich kann nicht einfach fortgehen. Die Leute dort sterben. Lillian hat versucht, ihnen zu helfen, aber sie haben nicht zugehört.«
»Ist dir eigentlich auch nur ansatzweise klar, wie absurd das alles ist? Du behauptest hier allen Ernstes, Hessen wäre noch in diesem Haus anwesend ist, auf eine … eine … . ich weiß auch nicht, in einem verwandelten Zustand. Und er würde die Leute umbringen, die ihn in den Vierzigerjahren schlecht behandelt hätten. Denk doch mal drüber nach, was du da redest. Das ist doch Unfug.«
Apryl war tief in Gedanken versunken und ging nicht darauf ein. »Ich muss nachts hingehen. Dann passiert das alles nämlich. Dann sind die Leute dort in Gefahr. Und jemand hilft ihm. Das hat Mr. Shafer gesagt, bevor er umgebracht wurde. Ich bin mir sicher, dass er umgebracht wurde. Erst Mrs. Roth, dann er. Und ich bin dafür verantwortlich.« Sie drehte sich zu
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