Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
die Nerven behalten und die Tür geschlossen lassen, bis sie sich das nahmen, was sie haben wollten. Aber würde sie danach immer noch atmen wie Mrs. Shafer? Sie musste einfach. Was sollte er denn mit einem toten Mädchen anfangen? Wo war der Junge überhaupt? Er musste mit dem Jungen sprechen, bevor er Apryl reinholte.
Er schluckte und öffnete die Tür. Sah in den kalten unbeleuchteten Raum. Es waren nur der nackte Holzfußboden, die verhängten Bilderrahmen und die leeren Spiegel zu sehen. Ein Schauer der Erleichterung lief durch seinen Körper. Vielleicht, vielleicht würde heute Nacht ja überhaupt nichts passieren. Bei solchen Dingen konnte man nie wissen.
Er tastete nach dem Lichtschalter und knipste ihn an. Der Raum erfüllte sich mit einem schwachen roten Schein. Ein unsichtbarer Kurator hatte die Gemälde erneut verdeckt, aber die vier Spiegel ausgelassen, die einander gegenüber hingen und deren silbrige Korridore sich gegenseitig reflektierten und einen unendlichen Tunnel aus Licht und Perspektive zeigten. Vorsichtig trat er in die Mitte des Zimmers und sah nach, ob sich in den Spiegeln etwas bewegte. Ob dort derjenige wartete, der Apryl kennenlernen wollte.
Aber er sah nur sich selbst.
Seth bemühte sich, nicht an das zu denken, was ihm entgegenwirbeln und entgegenschreien würde, wenn er die Tücher von den Bilderrahmen zog. Darauf musste er sich gut vorbereiten. Sollte er sie wirklich herunternehmen? Und würde dann alles in Bewegung geraten und sich um ihn herum drehen?
Es war Zeit, seine Begleiterin hereinzubitten.
Aber als er sich wieder der Tür zuwandte, bemerkte er eine flinke Bewegung im Spiegel zu seiner Rechten, der direkt über dem Kamin hing. Als er sich umdrehte, sah er nur die Reflektion seiner eigenen schäbigen Erscheinung – sich selbst mit hängenden Schultern und angespanntem blassen Gesicht.
Da war nichts. Alles nur Einbildung.
Doch dann sah er es wieder am Rand seines Blickfelds eine schnelle, weit entfernte Bewegung in einem anderen Spiegel. Er wandte sich um und blickte hinein. Wieder war nichts weiter als er selbst zu sehen, seine eigenen dunklen Augen, die ihn anstarrten.
Er bemerkte, dass die Spiegel miteinander in Verbindung standen. Alle vier waren so angebracht, dass sich zwischen ihnen eine Art Tunnel auftat, durch den etwas hindurchzuhuschen versuchte. Aber was auch immer sich dort bewegte, wurde sofort wieder eingefangen.
Er hatte den Eindruck, dass es eine Art Kreisbewegung vollführte, und schaute in den nächsten Spiegel, der am Kopf des rechteckigen Zimmers hing. Dort sah er die Umrisse einer blassen Gestalt über den Grund des eckigen, silbrig schimmernden Raums flattern, ein Stück weit durch den reflektierten Tunnel hindurch, aber dichter an der gläsernen Oberfläche als zuvor. Diesmal bemerkte er auch einen roten Fleck, ein kurzes Aufflackern von Purpur an der Basis des Spiegels, als würde ein farbiges Gesicht über einem gekrümmten Körper nach innen gezogen, zu dem Zimmer hin, in dem er ganz allein stand.
Er hatte viel zu viel Angst, um sich umzudrehen und nachzusehen, wie nah es dem Glasrand hinter ihm schon gekommen war. Seine Nackenhaare richteten sich auf, als würden sie von einer elektrischen Ladung statisch angezogen.
Er sah nach unten und nach rechts, traute sich aber nicht, den Kopf ganz zu drehen. Stattdessen blickte er nun auf den Holzboden. Und horchte.
Die Lampen summten vor sich hin. Kein anderes Geräusch war zu hören. Oder vielleicht ja doch. Vielleicht war das ja der Lärm des weit entfernten Verkehrs, der durch die Vorhänge, Fenster oder Wände drang. Oder das Brausen eines herannahenden Sturms, der schon über die Dächer und durch die Straßen und Parks fegte und sich dem Barrington House näherte.
Nein. Es bewegte sich nicht voran, es bewegte sich nach unten und kam von sehr weit her und zwar rasend schnell.
Einen Moment lang war ihm schwindelig vor Angst, Panik erfüllte jedes Molekül seines Körpers, aber dann überwand er seine Lähmung und lief auf den Korridor zu. Der Junge mit der Kapuze tauchte vor ihm in der offenen Tür auf. Die Hände in den Taschen, das Gesicht tief im Innern der Kapuze verborgen, sagte er: »Sie komm’n wegen der Tussi, Seth. Sie woll’n ihr was zeigen. Er hat die Schlampentante nich’ gekriegt, aber jetzt nimmt er sich die Junge, Kumpel. Da kannst du ganz sicher sein.«
Das Ausmaß des Bösen, das der Junge ihm da andeutete, nahm Seth den Atem. Er grinste nervös vor sich hin und kam
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