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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Vorstellungen über ein Leben als Künstler gehabt hatte. Tatsächlich war er hier gestrandet. Inmitten dieses grässlichen Gekreisches der Affen um ihn herum hatte er Schiffbruch erlitten.
    Man konnte es spüren und auch beobachten, es gab Veränderungen in der Umgebung und sogar in der Atmosphäre. Wo immer Menschen auf der Straße zusammenkamen, in diesem kalten Nieselwetter, das von einigen Straßenlampen und den undeutlich reflektierten Lichtern kleiner Supermärkte, Imbissbuden, Fast-Food-Restaurants und Pubs erleuchtet wurde, spürte er eine heftige Abneigung. Irgendein unsichtbares Gift drang in seinen Körper ein, machte ihn nervös und verursachte Übelkeit. Ein unsichtbarer Druck, vielleicht etwas Elektrisches, erfüllte seinen Schädel mit einem gleichmäßigen Brummen. Unklare, nicht zu entziffernde Sendungen oder Echos von irgendwoher, aber jetzt auch von hier, als würde er sich unterhalb oder zwischen dem hindurchbewegen, was alle anderen erlebten.
    Es war schwierig zu beschreiben, wie genau die Welt sich verändert hatte. Nur visuelle Beschreibungen konnten da helfen. War er denn klar genug dafür? Seine Zeichnungen waren wahrscheinlich nichts weiter als Kritzeleien und Schmierereien. Und wäre das nicht das Schlimmste überhaupt: Auf einmal in der Lage zu sein, die wahre Natur der Dinge zu erkennen – die Wahrheit hinter den falschen und verzerrten Darstellungen der Medien, des Erziehungssystems, der Gesellschaft und des ganzen totalitären Gewäschs, das die echte Existenz verschleierte – , um dann festzustellen, dass man unfähig war, seine Erkenntnisse anderen mitzuteilen?
    Als Seth die U-Bahn-Station erreichte, lehnte er sich gegen die gekachelte Wand und drehte sich eine Zigarette. Er war nicht fähig zu sprechen, als ein Bettler ihn nach einer Zigarette fragte. Er hatte vergessen, wie das ging. Seine Lippen bewegten sich, aber er hatte Schwierigkeiten Stimmbänder, Zunge und Gesichtsmuskeln zu koordinieren. Er schluckte und brachte nur ein kratziges Geräusch hervor.
    Er fragte sich, wieso er überhaupt hier war. Was hatte ihn angetrieben, sein Zimmer zu verlassen? Sein ursprüngliches Anliegen war ihm völlig verlorengegangen.
    Das blaue Licht der Geldautomaten und die weißen und roten Lichter der U-Bahn-Station Angel weckten in ihm ein vages Bedürfnis nach Reisen. Er bewegte sich langsam auf die Lichter zu, wurde aber bald schon von der aus dem Untergrund nach oben strömenden Menschenmenge abgedrängt.
    Er ging an der Station vorbei, musste aber an einer Kreuzung anhalten. Zu viel Verkehr, zu heftiger Wind, zu viele Ellbogen, die ihn beiseiteschoben. Eine Menschengruppe wartete darauf, dass die Ampel umsprang. Aber sosehr die Frauen sich auch parfümiert hatten, sie konnten den fischigen essigartigen Geruch nicht überdecken, der von ihnen ausging. Hatte er diese Kreaturen etwa einmal attraktiv gefunden? Irgendetwas stimmte mit ihren Körpern nicht. Ihre Lippen fehlten, die Augen quollen hervor, die Zähne hatten Überbiss, die Nasen waren verunstaltet. Die Ohren waren viel zu rot, und unter dem Make-up schien die Haut jede Farbe verloren zu haben. Ihre Lider waren gerötet, das Haar verkalkt. Seth schauderte. Die Männer waren auch nicht besser mit ihrem affenartigen großspurigen Getue, ihren feuchten Hundeschnauzen und den stumpfen haiartigen Augen. Furchterregende, gefährliche Tiere waren das, die ihren Hang zur Brutalität mit jedem Bier, das sie zusammen tranken, nur ins Unermessliche verstärkten. Mörderische Bestien, die nach Stall stanken und den Geruch von Bierhefe absonderten.
    Seth schaffte es nicht, die Straße zu überqueren. Er zögerte einen Augenblick und ein weiterer Schwall Autos, Fahrräder und Busse raste an ihm vorbei. Die umstehenden schmutzigen Gebäude wirkten im Schein der Rücklichter verzerrt, und er blieb orientierungslos auf dem Gehweg stehen.
    Es kam ihm vor, als hätte ihn jemand in einer fremden Stadt einfach stehen lassen, ohne Plan und ohne eine Möglichkeit, die Sprache der Bewohner zu verstehen. Eine heftige Sehnsucht, London zu verlassen, übermannte und demoralisierte ihn. Alles, sogar die Aussicht, ohne einen Pfennig in einer anderen Stadt zu sein, wäre besser als die Existenz, die er hier fristete. Hier war alles nur Lug und Trug und Überlebenskampf ohne menschliche Gefühle.
    Mit gesenktem Kopf trat er wie ein Besiegter von der verkehrsreichen Straße zurück. Er war nicht mehr in der Lage, die Essex Street zurückzugehen, dort liefen

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