Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
ihn endgültig fertigmachen würde. Aber es war doch kaum noch etwas übrig, das zerstört werden konnte. Aber zumindest eins könnte er tun, um sich zu erholen: aufhören, nachts zu arbeiten, mehr schlafen. Er brauchte dringend viel Schlaf. Er könnte alles aufgeben, was ihn schwächte, seinen Willen stärken und sich wieder für Dinge begeistern. Ja, jetzt, beim fünften Glas Whisky lag es alles ganz klar vor ihm. Nach Hause zu gehen war gar nicht so schlimm. Er würde sich nicht länger selbst zum Narren halten: Mit all dem hier aufzuhören war seine einzige Überlebenschance.
    Gleich morgen würde er seine Mutter anrufen und abends im Barrington House die Kündigung einreichen. Dann würde er abhauen. Das erschien ihm ganz einfach, als er dort auf dem Stuhl in der Bar saß. Das Lächeln auf seinem Gesicht kam ihm fremd vor. Steif. Diese Muskeln waren in letzter Zeit einfach zu selten beansprucht worden. Wahrscheinlich waren sie schon verkümmert.
    Er drückte die Zigarette in den Aschenbecher und steckte eilig Tabak und Feuerzeug in die Manteltasche.
    Draußen spürte er eine plötzliche Beklommenheit bei dem Gedanken an die Rückkehr in sein Zimmer. Er fürchtete, dort könnte wieder diese eigenartige Starre von ihm Besitz ergreifen. Und das drängende Gefühl, weggehen zu müssen, könnte morgen Nachmittag nach einem langen, tiefen Schlaf womöglich verschwunden sein.
    Er musste sofort etwas unternehmen, noch heute Abend. Mit dem Packen anfangen. Egal, was. Er spürte, dass der Spalt, der sich geöffnet hatte und durch den er hindurchschlüpfen könnte, schon wieder schmaler wurde. Der Regen, der umherwirbelnde Müll, das nasse Pflaster, der endlose Verkehrsstrom – all das waren Dinge, die ihn festhalten oder festbinden wollten, wie Seile, deren Knoten seine kalten ungeschickten Finger nicht lösen konnten.
    Seth senkte den Kopf und tauchte in den Wind ein. Geduckt lief er voran und stellte innerlich eine Liste der Aufgaben zusammen, die er erledigen musste. Immerhin hatte er ein bisschen Geld auf dem Bankkonto. Sein Lohn war zwar lächerlich gering, aber er hatte schon lange aufgehört, sein Geld für etwas anderes als Miete und Essen auszugeben. Zurzeit hatte er genug, um wegzufahren, nach Hause zu kommen und sich dort ein paar Monate über Wasser zu halten.
    Vielleicht, überlegte er später, wäre ja alles gut geworden, wenn ihm an diesem Abend erlaubt worden wäre, in sein Zimmer über dem Green Man zurückzukehren. Er hätte seine Pläne verfolgt und sich gerettet. Und hätte die anderen auch retten können.
    Aber als er an den überquellenden Beuteln mit alten Kleidern und kaputtem Kinderspielzeug vor dem Secondhandladen vorbeikam, war über seine Zukunft bereits entschieden.
    Seine lebhaften Gedanken und die klaren Entschlüsse wurden mit einem Mal ausgelöscht.
    Einen Moment lang war er sich über gar nichts mehr im Klaren – wo war rechts, wo war links, in welche Richtung ging er gerade, wo waren seine Arme und seine Beine? Sein ganzer Körper erschien ihm schwerelos, bis er mit der Schulter gegen das Schaufenster des Ladens prallte.
    Drinnen erzitterten die verschmähten Teddybären, die feinen Teekannen aus Porzellan und ein Buch über Katzen auf dem Regal. Er war gegen das Fenster geworfen worden. Als sein Gesicht gegen das kalte Glas stieß, setzte sich die Welt um ihn herum neu zusammen.
    Er beugte sich vor, blickte nach unten und bemühte sich mit zitternden Knien, das Gleichgewicht zu halten. Und dann sah er die Schuhe auf dem feuchten Asphalt. Drei Paar weiße Turnschuhe standen um ihn herum.
    Sofort richtete er sich auf und trat den Rückzug an, hob die Arme und reckte den Kopf. In seinem Schädel schien ein grelles Durcheinander zu herrschen, und seine linke Seite fühlte sich eigenartig an: als wäre dort alles völlig taub.
    Die Kälte war vergessen, ebenso seine lange Liste von Dingen, die erledigt werden mussten. Er blickte um sich und versuchte, die Situation und die daran Beteiligten einzuschätzen.
    »Arschloch«, sagte der Rothaarige neben ihm.
    »Komm schon, los, komm schon«, bellte ihn ein dunkles Gesicht unter einer Baseballkappe an.
    In ihren Augen spiegelten sich Hass und eine eigenartige Erwartung, als wollten sie eine ganz bestimmte Antwort hören. Beide Angreifer waren noch keine zwanzig. Seth hatte den Rothaarigen schon einmal gesehen, wie er mit hochmütigem Gesichtsausdruck aus einer Cidre-Flasche trank, die er dann später vor dem Wettbüro auf dem Boden zerschlug.

Weitere Kostenlose Bücher