Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
Zweimal rief er um Hilfe. Zwei Mädchen sahen ihn an, gingen aber weiter und beschleunigten ihre Schritte, nachdem sie sein zerschlagenes Gesicht gesehen hatten. Hatten sie den schwarzen Riss in seinem Schädel bemerkt? Er war da, das konnte er fühlen. Seine rosig graue Gehirnmasse drängte dagegen, wollte endlich an die Luft, nach so vielen Jahren in diesem engen wässrigen Käfig. Die trampelnden Füße hatten netterweise versucht, das arme gepeinigte Organ aus seinem Gefängnis zu befreien. Am liebsten wäre er jetzt in ein Krankenhaus gegangen, um sich eine Morphiumspritze verpassen zu lassen.
    Irgendwann ging sein Atem immer schneller, und er verlor das Bewusstsein. Dann wachte er auf, ihm schwindelte und er sah, dass er sich auf seinen Mantel erbrochen hatte. Als die Angst vor dem Ersticken vergangen war, richtete er sich auf seinem heilen Knie auf. Mit der tauben Hand und indem er sein Gewicht auf das unverletzte Knie verlagerte, gelang es ihm, sich an der Glastür aufzurichten. Seine Wohnung war knapp einen Kilometer entfernt. Für diese Strecke brauchte er womöglich die ganze Nacht, und er befürchtete, jeden Augenblick wieder ohnmächtig zu werden. Von seinem Zimmer aus könnte er Hilfe holen, wenn er es bis dahin schaffte.
    Er schloss kurz die Augen, um sich von der immensen Anstrengung des Aufstehens zu erholen, und erschrak, als er von links Schritte hörte. Ein massiger Körper kam auf ihn zu und streckte eine Hand aus. Seth zuckte zusammen und prallte zurück gegen die Glastür des Ladens.
    »Der Typ da drüben ist sich zu fein, um mit Leuten wie du und ich zu trinken. Aber ich sag dir was. Und ich sag’s dir umsonst … « Das Gesicht des Penners war eine einzige Ansammlung von Narben und geplatzten Adern. Jedes Auge glotzte in eine andere Richtung. Sein Atem roch widerwärtig. Alkohol, Körpergeruch, Schweiß, alles hatte sich in dem undurchdringlichen filzigen Stoff angesammelt, den er trug. Er hielt Seth eine schwarze Getränkedose unter die Nase. Dann legte er den Kopf auf die Seite und atmete lautstark aus.
    Der Penner rückte ihm immer mehr auf die Pelle, beugte sich vor und spuckte ihn an, während er von »dem Typ da drüben« redete. Wen meinte er überhaupt damit? Seth war völlig durcheinander. Der dreckige Arm des Mannes legte sich um seinen Hals. Der grau-rot karierte Ärmel war ausgefranst und am Saum bräunlich verfärbt. Als der raue Stoff Seths Hals berührte, tat es furchtbar weh. »Ich bin zusammengeschlagen worden. Man hat mich verprügelt, Mann. Fass mich nicht an. Lass meinen Hals los!«
    Aber der Penner hörte nicht zu: Er wollte über »den Typ da drüben« reden und seinen Speichel über Seths blutiges Gesicht versprühen.
    Seth wandte sich ab und zog sein steifes Bein hinter sich her. Den Kopf gesenkt und hoch konzentriert, machte er sich daran, den anstrengendsten Weg seines Lebens hinter sich zu bringen. Jede Unebenheit, jeder Riss im Asphalt wurde von seinen gepeinigten Nerven registriert, und schon nach wenigen Metern war er von oben bis unten mit kaltem Schweiß bedeckt. Der Penner, der ihn für seinesgleichen hielt, folgte ihm und hörte nicht auf, von »dem Typ da drüben« zu faseln.
    Es kam ihm vor, als hätten alle Vorfälle dieses Abends einen Sinn. Nichts schien ein Unfall oder ein Zufall zu sein, sondern das Werk von jemandem, der dies alles steuerte, vielleicht sogar der Stadt selbst. Was auch immer dahintersteckte, welche bösartige Intelligenz, es wollte ihn erniedrigen und so fertigmachen, dass er sich selbst aufgab. Jemand oder etwas hatte ihn beobachtet. Und wusste, dass er kaum noch Kraft hatte, sich zu wehren, und nun wollte es ihn für sich behalten.
    Er begann zu schluchzen. Der Penner legte seinen Arm um Seths angeschwollenen Hals und drückte ihn fast zu Boden. Er wurde beinahe ohnmächtig vor Schmerz. Aber das war noch nicht Strafe genug. Geschlagen und fast totgetreten zu werden, reichte offenbar nicht. Er musste auch noch beschmutzt werden. Angegriffen von einem Irren, der nach Schweiß und Kotze stank. Diese Nacht und ihre Qualen würden sich in alle Ewigkeit ausdehnen, weil er es gewagt hatte, sich dem Willen der Stadt zu widersetzen. Weil er sie zurückgewiesen hatte, weil er das Elend und das Leid verschmäht hatte, das sie für ihn vorgesehen hatte.
    »Ich werde jeden verdammten Stein zerstören«, flüsterte er dem kaputten Kerl im stinkenden Pullover neben sich zu. »Ich werde das ganze verdammte Ding in die Knie zwingen, das schwöre ich

Weitere Kostenlose Bücher