Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
er sich nicht mehr rühren konnte. Hatten die gebrochenen Rippen schon innere Organe verletzt? Er malte sich die schlimmsten Verletzungen aus und gleichzeitig verdunkelte sich sein Bewusstsein.
Das war’s dann also, sagte eine leise Stimme aus einer hellen Sphäre inmitten der Dunkelheit, wohin sich die Reste seines Selbst zurückgezogen hatten. Bald wird alles schwarz sein. So geht es dann zu Ende. Und dann hörte er ganz in der Nähe, von dort, wohin er mit seinen geschwollenen Augen nicht mehr sehen konnte, einen Bus heranrollen und zischend zum Stehen kommen. Die Türen gingen auf, und er hörte Füße auf den Gehsteig herabsteigen.
Endlich kam ihm jemand zu Hilfe, um diese tollwütigen Hunde von ihm wegzuzerren, die Polizei und einen Krankenwagen zu rufen, die sich um ihn kümmern und ihm eine zusammengefaltete Jacke unter den Kopf legen würden. Die Hoffnung breitete sich wie eine warme Decke in ihm aus. Beinahe hätte er laut aufgeschrien vor Erleichterung. Aber dann hörte er, wie der Bus weiterfuhr, und die Tritte gingen weiter.
Jetzt traten sie nicht mehr gegen ihn, sondern auf ihn, weil ihnen die Zehen in den weichen Turnschuhen wehtaten. Da war es besser, direkt mit den Sohlen auf ihn draufzutrampeln. Und ihn plattzustampfen. Seine Arme und Beine zu brechen. Ein Fußtritt traf ihn am Ohr. Es brannte heiß, und in seinem Kopf fing es an zu pfeifen. Mit ihren Gummisohlen rissen sie ihm die Haare aus. Ihr Profil war bei jedem Wetter griffig.
Jemand ging vorbei, hielt an und sprach in einem trägen Singsang zu ihnen: »Langsam, langsam, langsam.« Mit einem erfreuten Unterton, als gefiele ihm, was er sah. Die Schläger machten weiter. Die letzten Tritte schmerzten am meisten. Der vorletzte Tritt traf ihn in den Magen; er würgte, und seine Augen traten aus den Höhlen.
Als sie fertig waren und erschöpft und ihnen die Beine wehtaten vom vielen Zutreten, stolzierten sie davon, müde, aufgekratzt und mit sich zufrieden.
Sein Nervensystem war kaum in der Lage, alle Verletzungen zu identifizieren, deshalb durchflutete es seinen ganzen Körper mit einer Wärme, die bis in die letzten Zellen drang. Es war kaum zu glauben, aber es gelang ihm aufzustehen, ohne dass irgendwelche gebrochenen Knochen ihn daran hinderten. Seth sah an sich herab. Gar nicht schlecht, entschied er. Zwar war er schmutzig und nass, weil er auf dem feuchten Weg getreten worden war, aber es waren keine Blutspuren und keine Wunden zu erkennen. Nur Abdrücke von den Fußtritten und das Muster der geriffelten Sohlen ihrer Turnschuhe waren zu sehen. Fast war er enttäuscht, weil er keine Verletzungen vorweisen konnte, um sich krankschreiben zu lassen oder einen Richter von der Brutalität des Überfalls zu überzeugen. Aber als er zu gehen versuchte, war es mit einem Mal vorbei. Bohrende Schmerzen rasten durch seinen Körper, trafen ihn schneidend bis ins Mark.
Er fiel hin.
Dann kroch er wie eine Puppe mit zerbrochenen Gliedmaßen in einen Ladeneingang.
Vor lauter Angst, der unerträgliche Schmerz könnte noch schlimmer werden, blieb er im Eingang des Secondhandladens liegen und verlor jedes Zeitgefühl. Am liebsten hätte er gleichzeitig gekotzt und geweint. Er wartete auf den Krankenwagen und die Polizei. Jemand musste sie doch gerufen haben. Es waren doch so viele Leute in diesem Bus gewesen. Zahllose Füße waren an ihm vorbeigegangen, nachdem er auf dem Boden gelandet war und diese tretenden und trampelnden Füße aufgehört hatten, ihn zu quälen.
Im Sitzen wippte er leicht vor und zurück, das schien seine Schmerzen zu lindern, jedenfalls eine Zeit lang, dann machte es alles nur noch schlimmer. Ob Sitzen oder Liegen, beides ging nicht mehr, ohne dass seine Schmerzen noch heftiger wurden und wie eine riesige Flutwelle immer weiter anschwollen. Sein Gesicht war heiß und empfindlich und straff. Überall spürte er Beulen, hart wie Knochen. Er atmete ganz flach, weil seine Rippen sich anfühlten wie morsche Holzstöcke, die in viele Teile zerbrochen waren und ihre Splitter überall im Körper verteilt hatten. Seine linke Hand war taub und sein rechtes Knie zu einem dicken fleischigen Wulst angeschwollen. Dieses Knie konnte er nicht mehr beugen, und schon allein das Gewicht seiner Jeans und der Schuhe schmerzte entsetzlich. Womöglich würde das Bein für immer steif bleiben. Die rechte Seite seines Halses fühlte sich offen und klebrig an.
Die Leute liefen durch den Regen an ihm vorbei. Wenn sie ihn bemerkten, gingen sie schneller.
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