Apocalyptica

und einen Schritt nähertrat. Als ihre Nasenspitzen sich fast berührten, flüsterte der Alte: „Du musst noch viel lernen, mein Freund.“
    Im selben Atemzug gewann das Tier in Midaels Innerem die Oberhand. Seine Hände schnellten nach oben und bekamen den Kardinal an der Gurgel zu fassen. Völlig überrascht von der plötzlichen Reaktion des Engels weiteten sich die Augen zu Gemmingens, und er erstarrte vor Schreck. Wie durch einen inneren Drang geführt streckte der Samaelit seine geistigen Fühler nach dem alten Mann aus und drang in seinen Geist ein.
    Die Welt um Midael schien zu verschwimmen. Die eilig herbeigeeilten Wachen zerrten an seinen Armen und versuchten, den Konsistorialkardinal aus der tödlichen Umklammerung zu befreien, doch der Samaelit spürte von all dem nichts. Sein Körper funktionierte wie eine der abscheulichen Maschinen, die die Angeliten so verdammten. Sein gesamter Fokus war auf den Geist seines Gegenübers beschränkt, und was er sah, war schrecklicher als alles, was er je zuvor hatte sehen müssen. Nicht einmal die Traumsaat hielt derlei Schrecken bereit.

Kapitel 4
    3.November 2042
    Militär gibt Beteiligung an Atlas zu
    Seit Jahren steht das größte Bauunternehmen der Geschichte, „Atlas“, unter ständigem Beschuss zahlreicher Fraktionen: Zum ersten Mal seit Beginn der Bauarbeiten gibt der Vorstandsvorsitzende der Samsung E&C Bilfinger AG, Hen Sei-Pak, in einer Stellungnahme zu, dass die Vereinigten Europäischen Streitkräfte (UEF) an der Finanzierung des Projekts beteiligt sind.
    Brüssel – Auf Drängen der EU-Kommission haben Hen Sei-Pak, Vorstandsvorsitzender der Samsung E&C Bilfinger AG, und der Oberkommandierende der UEF, General Goran Trefels, am Morgen in Brüssel ein Kommuniqué verlesen, in dem sämtliche Vorwürfe der militärischen Nutzung des „Atlas“-Projekts zurückgewiesen wurden. „Es handelt sich lediglich um zivile Forschungseinrichtungen mit möglichem Nutzen für das Militär“, so Trefels. „Vertreter außereuropäischer Staaten zeigten sich besorgt angesichts der Entwicklungen“, ließ Rieke Thompson, Sprecherin der EU-Kommission, im Vorfeld verlautbaren. „Wir können nicht zulassen, dass derartige militärische Einmischungen in zivile Projekte die Sicherheit des Osloer Abkommens gefährden“, fügte sie hinzu.
    Die sieben Wolkenkratzer des „Atlas“-Projekts, im Volksmund auch Himmelssäulen genannt, befinden sich in unterschiedlichen Bauphasen. Während in Frankreich, Deutschland und Norwegen die Arbeiten im Zeitplan liegen, hinkt man in Italien, Spanien, Griechenland und Tschechien „aufgrund unvorhergesehener Unwägbarkeiten“ hinterher, so Frederik Foucault, Gesamtprojektleiter von Samsung E&C Bilfinger. Die Bauarbeiten an den sieben Superwolkenkratzern sollen laut Planung im Frühjahr 2044 abgeschlossen sein und danach Wohnraum für über 100.000 Menschen pro Einheit bieten. [hr]

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    N aphal hatte Fieber . Für diese Erkenntnis benötigte er nicht die Hilfe Kemenas oder eines der Doctores seiner Mutter. Das Pochen in seinem Arm war einer fremdartigen Kälte gewichen. Er fühlte sich merkwürdig distanziert von seinem Arm, als gehöre er gar nicht zu ihm. Seine Stirn war glühend heiß, und kalter Schweiß bedeckte seinen ganzen Körper. Er hatte sich, nachdem er einige Zeit aufs Meer hinausgefahren war, um seine Verfolger abzuschütteln, unter der Plane des Bootes zusammengerollt und gehofft, der Schmerz werde bald nachlassen. Nestor hatte ihm einmal erzählt, es sei gefährlich, so weit aufs Meer hinauszufahren, denn dort lauere die Traumsaat, und man sei ihr hilflos ausgesetzt. Naphal wusste nicht, ob das stimmte, aber er hatte nicht den Eindruck, es könne noch viel schlimmer kommen. Abgesehen davon war es an Land wohl auch kaum besser, sonst hätte seine Mutter die Stadt nicht abriegeln lassen. Eine ganz andere Gefahr beschäftigte ihn derzeit viel drängender. Die Wunde in seinem Arm würde niemals heilen, wenn er den Splitter des Panzers der Traumsaatwespe nicht entfernte. Doch der bloße Gedanke daran, das schwarze Ding aus seinem Körper zu ziehen, bereitete ihm Übelkeit.
    Wieder einmal startete er einen Versuch, das scharfkantige Stück Chitin anzufassen und es mit einem Ruck aus seinem Fleisch zu befreien, doch wie die Male zuvor ließ die bloße Berührung ihn zusammenzucken und sein Vorhaben überdenken. Seine Flucht war verlaufen, wie er es sich vorgestellt hatte, mit Ausnahme dieses blöden Dings in seinem Arm. Er