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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Ungewöhnliches. Paarung und Kampf gehörten von jeher eng zusammen. Seine Finger tasteten zwischen den Beinen entlang. Mit dem Bild der schlafenden Hannah im Kopf gelang es ihm endlich, sich Erleichterung zu verschaffen. Das Gefühl, ihr nahe gewesen zu sein breitete sich in ihm aus. Danach war sein Kopf leer und er fiel in einen traumlosen Schlaf.
    Nun war er hellwach.
    Hannah . Kleine süße Hannah . Ein Echo und der verzerrte Nachhall eines Echos, das kein Ende nehmen wollte. Der Schmerz durchfuhr ihn wie ein Dolchstich. Man hatte ihre Leiche in den Weinbergen gefunden. Hinter einem dornigen Heckenrosenbusch. Mit zertrümmertem Schädel. Er spürte, wie sein Puls raste und wie seine Zunge am Gaumen klebte. Zusammen mit dem sich regenden Tier in seinem Inneren war auch das altbekannte Verlangen wieder gekommen. Der Drang, etwas Hochprozentiges trinken zu müssen. Auf der Stelle. Er versuchte, es zurückzudrängen, sich abzulenken. Er hasste diesen Menschen mit seinem furchtbaren Verlangen. Er hatte geglaubt, ihn besiegt zu haben. Doch er war lebendig in ihm wie eh.
    Der misstrauische Blick dieser Polizistin war ihm nicht verborgen geblieben. Ein Blick, der ihm aus seinem früheren Leben nur allzu bekannt war. Ebenso wie die penetranten Fragen, die sie nicht müde wurde, herunterzubeten. Es war eine leicht durchschaubare Taktik, die ihn verunsichern sollte. Sie hielt sich für besonders schlau, diese Polizistin. Aber er war ihr nicht auf den Leim gegangen.
    Und Irmchen, dieses einfältige Irmchen. Wie sie ihn verteidigt hatte. Das war etwas, was er dieser unsicheren Frau niemals zugetraut hätte. Regelrecht über sich hinausgewachsen war sie. Dabei wusste sie nichts. Gar nichts.
    Er dachte, es sei eine gute Idee, der Polizistin die Bilder von Hannah anzubieten. Wie ein Terrier hatte sie sich an ihm festgebissen und immer wieder nachgebohrt. Keine Ruhe gegeben, bis er alle ihre Fragen beantwortet hatte. Er war ziemlich sicher, dass sie Erkundigungen über ihn einziehen würde. Zu dumm, dass er die Sache mit der Mainzer Uni erwähnt hatte. Er hätte etwas anderes sagen sollen. Dass er freiberuflich tätig war. So etwas war heutzutage für einen Mittfünfziger nicht ungewöhnlich. Aber das war ihm auf die Schnelle nicht eingefallen. Er fasste an seinen dröhnenden Kopf. Es war, als ob er die Schläge abbekommen hätte, die auf Hannahs Kopf niedergeprasselt waren.
    Im Dunkeln tastete er nach dem Wecker auf dem Nachttisch und bediente die Zifferblattleuchte. Seinem Gefühl nach zu urteilen musste es mitten in der Nacht sein. Kurz nach vier Uhr. Er ließ sich zurück in die Kissen gleiten und wusste nicht, wie er den Rest der Nacht überstehen sollte. In seinem Mund war ein widerlicher Geschmack. Das Verlangen, den Schmerz zu betäuben, war unglaublich groß. Er spürte, wie ihm der Schweiß von neuem ausbrach und seinen zitternden Körper bedeckte. Und dieses Hämmern im Kopf wollte einfach nicht aufhören. Er sehnte sich nach gnädigen Geistern, die die schrecklichen Bilder in seinem Kopf verjagten. Er bemühte sich, die lebendige Hannah heraufzubeschwören. Sein Hirn war eine Festplatte. Nur die schönen Bilder wollte er abrufen. Da war sie! Ganz deutlich. Es erregte ihn, als er sie sah. Ihren schlanken Körper. Ihr unschuldiges Gesicht. Er sehnte sich nach den gestohlenen Augenblicken der letzten Wochen, nach den Empfindungen, die ihm sein Leben zurückgegeben hatten. Seine Lebendigkeit. Er hatte sich als Mensch gespürt. Als jemand, der begehrte. Dem man vertraute. Nach all den Jahren der Erniedrigung und des Dahinvegetierens.
    Die schönen Bilder reihten sich in seinem Kopf aneinander. Hannah, die neben ihm herlief. Die in den Himmel deutete und ihn fragte, was er aus den Wolken herauslas, die sich über ihnen bauschten und die Sonne verdeckten. Die ihn auf die Besonderheiten der Landschaft aufmerksam machte. Wie sie mit Stolz in der Stimme Namen von seltenen Pflanzen und Tieren aufzählte, die in der sonnenbeschienenen Terrassenlandschaft der Untermosel heimisch waren. Zippammer, Sattelschrecke, Smaragdeidechse. Nicht zu vergessen die Feinde des Apollofalters: Sichelwanze und Springspinne. Manchmal war es ihm geradezu unheimlich, wie unglaublich viel sie in ihrem kleinen Köpfchen gespeichert hatte. Und dann fiel ihm ein, wie viel sie sich noch vom Leben erhofft hatte.
    Ihr Berufswunsch war noch nicht ganz ausgeprägt gewesen. Nicht nur die Biologie, auch die moderne Medizin hatte sie fasziniert.
    »Es gibt so

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