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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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betreten.
    – Okay!, sagte Jim und er kam mir so unheimlich erfahren vor.
    Aufgeregt schritt ich an seiner Seite über das amerikanische Gelände mit den breiten Betonwegen, durch die alle Meter die Grasfugen wuchsen, ich sah die hohen, einförmigen Bauten, in denen lauter Menschen vom anderen Ende der Welt uns bewachten, damit wir nicht wieder was anstellten oder um uns vor den Russen zu schützen. Da war der Exerzierplatz, und dort gab es ein Schulungsgebäude, dann kamen wir zur Rückseite eines Gebäudes mit großen Garagentoren und einem Türchen in der Ecke.
    Unvermittelt riss Jim das Türchen auf und schubste mich hinein und nahm mich ungestüm in die Arme, und wir küssten uns wie Romeo und Julia im dritten Akt, kurz bevor der Vorhang fällt
    – Ha!, schrie er. This is the perfect place!! Nobody will see us!!
    – Was?, rief ich. Eine Werkstatt??
    – It’s the motorpool!!
    Er sagte, dass ich warten und mich hinter einem Stapel riesiger Lasterreifen ducken solle, der so groß war wie unser Öltank im Keller.
    – Wenn uns einer sieht!!! Dann kannst du gleich noch mal vierzehn Tage Böden schrubben und Wände streichen!
    – Oh no!, sagte Jim, und dass er es sich diesmal genau überlegt hätte. Dann verschwand er, und irgendwann hörte ich ihn nebenan herumwerkeln und montieren und Absätze aufknallen, und dann klickte etwas, und er rief:
    – Marree!!!
    Jim kam zurück und zog mich in die Garage, und dort stand ein mordsmäßiger Truck von zweieinhalb Tonnen und sein Führerhaus ragte über mir zwei Meter in die Höhe. Jim schob mich auf die Rückseite, sprang auf einen kleinen Tritt und war im Nullkommanichts auf der Ladefläche. Er zog mich hoch, unter die Plane, und bald saßen wir auf einer Holzbank, auf der Bank hatte er eine Decke ausgebreitet und Blumen und zwei Büchsen Budweiser daraufgestellt.
    Als Krönung zündete er nun eine Kerze an, und aus einem kleinen Werkstattradio klang leise: »California, California …«
    Jim sagte feierlich:
    – I love you, Maree from the Western Woods.
    – I love you too, Jim Larry David from Minnesota from Amerika.
    Dann fielen die Butterblumen und die Kuckucksblumen und die Margeriten aus meinem Haar auf den stählernen Boden des Trucks, und ich las auf der grünen Wolldecke die schwarzgedruckten Buchstaben: US .
    Ich vergaß, wo ich herkam und wie ich hieß, wie man den Namen meines Dorfes schrieb und vergaß meinen Verstand und mein Vaterland und was einmal aus mir werden sollte, und ich glaubte, dass es beschlossen sei, da nun das indianische und das irische Blut mit dem meinen so inniglich an der Haut entlangströmte und sich vereinigen wollte, während das Radio von Boston sang »More than a feeling … loving and dreaming …«, waren wir der Verschmelzung so nahe und beinahe … wäre ich keine zauselige Jungfer mehr gewesen.
    Da klopfte es fürchterlich. Es klopfte so ohrenbetäubend laut, dass wir glaubten, die Russen seien da, in die Garage einmarschiert an einem friedlichen Sonntag, in der bis zum Halse gerüsteten Struderlehe.
    – Shit! Oh Shit!!, flüsterte Jim.
    Verdammt noch mal!! Immer wurden wir erwischt!! Gab es denn keinen Gott??!!
    Es war aber nur der Staff Duty Officer, der seinen Rundgang gemacht hatte und mit seinem Schlagstock die Garagenwände entlanggefahren war, was in der Halle entsetzlich lärmte. Wir fühlten uns schrecklich ertappt und bloßgestellt und rafften unsere Sachen zusammen, unsere Innigkeit war gestört, und Jim meinte, so was sei für einen Mann wie zehn kalte Duschen auf einmal und deutete auf seine Hose.
    – Dead fish.
    Die Kerzen brannten weiter und weiter, aber wir wagten es nicht, unser Unternehmen fortzusetzen, denn Uncle Sam war überall. Jim meinte, er könnte seinen Kumpel im Zimmer bestechen, damit der abhaut, für ein Bier oder so. Aber ein Kasernenzimmer schien mir auch nicht das Rechte zu sein, außerdem beschlich mich das Gefühl, meiner Großmutter Apollonia würde gerade der Bauch aufgeschnitten. Ich fühlte mich mit einem Mal schlecht und wollte nach Hause und hören, wie es ihr ging. So wie ihr heute Morgen das Blut aus dem Verband gelaufen war, das hatte nicht gut ausgesehen.
    – Ok!, rief Jim fröhlich. Then I go to the Jonnies!
    Er schien gar nicht traurig zu sein, eher sogar erleichtert, und es war, als ob die schwere Bürde, einer Jungfrau mit all ihren emotionalen Zuständen in einen anderen Seinszustand zu verhelfen, auch moralisch sehr schwer auf ihm lastete.
    Ich war ein wenig

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