Apple - Die Geburt eines Kults
Jobs.
„Auf jedes Leben muss etwas Regen fallen“, sagte Matt Carter tröstend.
Kapitel 7.0
Honig und Nüsse.
A ls Steven Jobs anfing, Universitätsbroschüren zu durchkämmen, bewies er sowohl Originalität als auch Dickköpfigkeit. Er ging an diese Aufgabe mit der gleichen Sturheit heran, die er früher schon eingesetzt hatte, um seine Eltern zum Umzug nach Los Altos zu überreden. Jobs hatte genug Zeit damit verbracht, sich in den Colleges herumzutreiben, die seine älteren Freunde besuchten, um zu dem Schluss zu gelangen, dass sie ungeeignet waren. Berkeley mit seinen riesigen Hörsälen hielt er für eine Absolventenfabrik und Stanford fand er zu seriös. Aber schließlich, als er einen Freund besucht hatte, der auf das Reed College ging, eine kleine, liberale und teure Universität in Portland, Oregon, beschloss Jobs, dass er das Leben im pazifischen Nordwesten ausprobieren wollte.
Er kehrte von einer Besichtigungstour zurück und teilte zuhause die Neuigkeit mit. Paul Jobs, der über die Aussicht auf enorme Studiengebühren entsetzt war, erinnert sich an den Kern der Diskussion so: „Wir versuchten, ihn davon abzubringen.“ Clara Jobs hatte eine deutlichere Erinnerung daran: „Steve sagte, das wäre das einzige College, auf das er gehen wollte, und wenn er nicht dorthin könnte, dann würde er nirgendwo hingehen.“ Und so knickten die älteren Jobs unter der emotionalen Erpressung ein, packten ihren Sohn auf die Rückbank ihres Autos, fuhren ihn nach Reed und verabschiedeten sich ein paar Tage vor Beginn des Schuljahres 1972 auf einem menschenleeren Campus von ihm. Die Abschiedsszene brannte sich in Steven Jobs’ Gedächtnis ein: „Das war nicht wirklich herzlich. Ich sagte halt irgendwie ‚Also dann, danke und tschüss‘. Ich wollte nicht einmal, dass die Gebäude sahen, dass meine Eltern da waren. Ich wollte damals nicht einmal Eltern haben. Ich wollte einfach sein wie ein Waisenkind aus Kentucky, das sich jahrelang im Land herumgetrieben hatte, indem es auf Güterzuge aufgesprungen war. Ich wollte einfach herausfinden, wie das Leben eigentlich war.“
Die natürlichen Gegebenheiten in Portland lieferten genug Ablenkungen, die ein gewisses Gefühl für die Möglichkeiten des Lebens vermittelten. Das Wetter war trister als am Südende der Halbinsel von San Francisco, aber dafür entschädigten andere Trostpflaster. Es gab den entrückten Glanz des Mount Hood für Rucksackwanderungen, die donnernde Energie der Columbia River Gorge zum Hintrampen und einsame Strände an der Küste von Oregon, wo sich am Rand der Klippen Redwood-Bäume drängten. Studenten, die ihr neues Umfeld in Augenschein nahmen, zeigte das Reed College ein trügerisches Gesicht. Die in viktorianischer Gotik gehaltenen Gebäude – komplett mit Schieferdach, Efeu, kupfernen Dachrinnen und Blumenkästen – hatten Erkerfenster, die auf weitläufige Gärten blickten. Es sah aus wie eine verregnete Heimstatt für die Caféhaus-Gesellschaft von Portland, eine fahrbare Bühne für Poeten, Filmemacher, Künstler und Freigeister.
Ein paar ehemalige Reed-Studenten hatten die Rainbow Farm gegründet, die zu einer regionalen Säule der Hippie-Bewegung wurde. Rinnsale der psychedelischen Stimmung vom Ende der 60er flossen noch über den Campus. Reed war eine regelmäßige Anlaufstelle für eine Karawane von Gastrednern wie den Autor Ken Casey, den Dichter Allen Ginsberg und den absoluten Guru des „Turn on, tune in, drop out“ – Timothy Leary. Aber hinter dem anmutigen Äußeren und den verträumten Reminiszenzen an das Leben im Paris der 20er-Jahre verbarg sich ein anspruchsvolles Curriculum mit langen Pflichtlektüre-Listen. Die rund 300 Studenten, die sich pro Jahrgang einschrieben, merkten, dass die große Professorenschar ihre Fortschritte genau beobachtete und dass das College ihre Schrullen nur duldete, wenn sie den hohen akademischen Ansprüchen genügten. Anfang der 70er-Jahre kehrte rund ein Drittel jedes Jahrgangs nicht mehr für das dritte oder vierte Studienjahr zurück, nachdem sie festgestellt hatten, dass „liberal“ in Reed mit einem großen L geschrieben wurde.
Jobs fand eine bunte Mischung von Studenten vor, und zum ersten Mal in seinem Leben stieß er auf Menschen aus anderen Teilen des Landes. Da Reed Stipendien an eine erkleckliche Menge von Minderheiten vergab, bekam Jobs den ersten Vorgeschmack auf eine kosmopolitische Atmosphäre. Eine Kommilitonin namens Elizabeth Holmes bemerkte dazu: „Anfang der
Weitere Kostenlose Bücher