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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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besser«, sagt sie, »Kopfweh ist weg«, nachdem sie den letzten Rest Suppe aus ihrer Schale getrunken und den letzten Bissen Brot geschluckt hat. Sie greift nach Bennos Schale, die schon eine Zeit lang leer ist und deutet mit fragendem Blick auf das Stückchen Brot, das er noch vor sich auf dem Geländer liegen hat. »Isst du das noch?«
    »Ja«, sagt er und steckt es in den Mund.
    Er folgt ihr nach drinnen, und nachdem Geschirr und Besteck in der Spülmaschine verstaut sind, ziehen sie die Matratze aus dem Bett und schleppen sie gemeinsam auf den Balkon. Christine bringt Laken und Decke und verschwindet ins Bad, nachdem sie aus Daniels Zimmer noch ein Kissen für Benno geholt hat.
    —
    »Bist du überhaupt schon müde?«, fragt sie, als er sich neben ihr auf den Rücken legt und nicht weiß, ob ihn ihr Körper so nah an seinem erregt oder kaltlässt, ob ihn ihre Zielstrebigkeit, mit der sie ihn ins Bild setzt, ihm den Fehler seiner Flucht vor Augen hält, und die Eile, mit der sie ihn an sich ziehen zu wollen scheint, ob ihn all das nun tröstet oder erleichtert oder im Gegenteil etwa abstößt.
    »Ich weiß es nicht«, sagt er, »das merk ich dann schon noch. Du?«
    »Ja. Aber auch nervös. Vom Fieber.«
    Na klar, denkt er, vom Fieber. Nicht von mir. Aus irgendeinem Grund will er sich über sie ärgern. Er ist in einer Stimmung, in der sie nur das Falsche sagen oder tun kann. Vermutlich liegt er hier nur aus Feigheit, weil er nicht Nein sagen wollte. Nicht, um ihr eine Freude zu machen, ihr das Kranksein zu erleichtern oder Gespenster zu vertreiben, geschweige denn, dass er für sich selbst hier liegen will. In ihrer Nähe sein. Er hört dem Verkehr zu und empfindet so etwas wie Schadenfreude sich selbst gegenüber, als eine Vespa unten an der Ampel mit enervierendem Lärm startet.
    »Jetzt auch von dem Moped«, sagt sie.
    —
    »Ich glaube, Daniel und ich machen uns was vor.« Christines Stimme knallt in seinem Ohr, und daran merkt Benno, dass er fast schon eingeschlafen war. Er braucht einen Moment, um zu reagieren, schiebt seine Füße unter der Decke vor, weil sie ihm zu warm geworden sind, und stützt sich dann auf den Ellbogen, um Christine anzusehen. »Wie? Ich meine, mit was?«
    »Damit, dass er auch hierherziehen will. Ich habe den Eindruck, dass wir uns gerade trennen, es aber nicht zugeben wollen. Deshalb tun wir so, als räume er nur eben noch in Berlin auf und komme dann hierher nach. In Wirklichkeit will er bleiben, und ich will weg.«
    »Und warum tut ihr das?«
    »Was, das Vormachen oder das Trennen?«
    »Trennen.«
    »Vielleicht spürt er, dass ich in deiner Nähe sein will, und lässt mich ziehen.«
    Benno horcht diesem Satz eine Zeit lang hinterher. Wieso ist sie so offen? Niemand ist so. Zumindest hat Benno noch niemanden erlebt, der sich so gradlinig und ungeschützt einem anderen Menschen ausliefert. Sie wirft sich ihm direkt an den Hals. So hätte man das früher, in der Zeit der guten Ratschläge, noch genannt. Und das, was sie sagt, klingt ein bisschen wie aufgeschrieben, und zwar nicht von ihr selbst, sondern von jemandem, der eine Art Drehbuch für sie verfasst hat, und sie liest den Dialog von einem Zettel ab, den sie in der Handfläche versteckt hält. Er hat viel zu lang geschwiegen. Er muss etwas sagen.
    »Du kennst mich doch gar nicht«, sagt er, »du weißt nicht, wer ich bin.«
    »Ich weiß, wer du warst.«
    Sie liegt auf dem Rücken und lässt sich von ihm ansehen, die Augen geschlossen und die Decke bis zum Hals gezogen. »Bin ich dir zu direkt?«
    »Nein«, sagt er, und das ist gelogen, aber es geht nicht anders, eine solche Frage kann nur ein Grobian mit Ja beantworten, und jetzt geschieht etwas Eigenartiges mit ihm: Er wird sich seiner Rücksichtnahme bewusst, und aus diesem Bewusstsein erwächst ihm eine starke Zärtlichkeit für sie, ein Gefühl, als müsse er sie beschützen, und sei es vor seinem inneren Aprilwetter, der ständigen Ambivalenz und diesem seltsamen Zustand, in dem er sich befindet: als belausche er sich und sie von nebenan und sei nicht mitten im Geschehen, läge nicht hier mit ihr unter den Sternen in duftender Bettwäsche vom nächtlichen Raunen der Stadt umgeben.
    »Vergiss das alles bitte wieder«, sagt sie jetzt, »ich rede im Fieber. Bin nicht ganz da. Vielleicht schlaf ich ja schon und träume dich nur.«
    »Oder ich träum dich«, sagt er und legt sich wieder auf den Rücken.
    »Daniel braucht mich«, sagt sie, nachdem sie eine Zeit lang

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