Aprilwetter
geschwiegen hat, »ich habe Unsinn geredet. Er würde mich nie ziehen lassen. Er würde mich nicht betrügen, und er würde alles tun, damit ich ihm nicht verloren gehe. Er trägt mich auf Händen. Und er weiß, dass ich ihn nicht im Stich lasse. Bitte entschuldige. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Vielleicht freu ich mich, dass du da bist, und rede deshalb solchen Blödsinn.«
»War doch sowieso nur geträumt«, sagt Benno, »mach dir keine Gedanken.«
Jetzt setzt sie sich auf und greift zur Wasserflasche, schraubt sie auf und nimmt einen Schluck. Dann noch einen. Sie trinkt mit einer Andacht, als käme aus der Flasche Hilfe für ihre unsortierten Gedanken. So trinkt man Alkohol, denkt Benno, nicht Wasser – oder höchstens in der Wüste, da kommt die Rettung wirklich aus der Flasche. Mitten in einer Stadt mit Läden und Wasserleitungen ist solche Hingabe absurd.
»Er vertraut mir«, sagt sie jetzt, so als fange sie diesen Gedanken eben aus einem Schwarm vorbeiziehender Worte oder Sätze in ihrem Inneren, als wäre er flüchtig und rar und zerbrechlich.
Benno schweigt.
»Gib mir deine Hand«, sagt sie und dreht sich auf die Seite, von ihm weg, ihre Hand legt sie sich auf die Hüfte, er legt seine darauf und richtet sich so ein, dass seine Füße im Freien bleiben und sein Unterleib nicht zu nah an ihrem Hintern liegt.
—
Es schien, als wollten alle nach dem Anschlag ihr Leben ändern. Kate wurde schwanger und gab die Band auf, Nick und Stephen steckten ihre Ersparnisse in eine Beteiligung an der Carson Lounge, zu dieser Zeit ein heruntergekommener Schuppen, der eine Menge Energie und Einfallsreichtum verlangte, um wieder ins Geschäft zu kommen, aber deshalb billig war, Warren verschwand von der Bildfläche, um zusammen mit einer kanadischen Sängerin irgendwo in den Wäldern ihrer Heimat ein Album aufzunehmen, blieb verschollen und tauchte erst nach zwei Jahren mit beseeltem Gesichtsausdruck und bis auf die Knochen abgemagert wieder auf – er hatte bei einer Art von Indianerguru zu sich selbst und wer weiß wohin sonst noch gefunden.
Janet malte wie besessen auf eine Ausstellung hin, die sie in Kalifornien, in einem Ort namens Davis in Aussicht hatte, und Benno ließ sich von Nicks und Stephens Elan anstecken und arbeitete mit bei der Renovierung der Lounge, kellnerte dann eine Zeit lang, bis er die Bar übernahm, an der er allerdings immer nur in den ersten Stunden des Abends seinen Aufgaben gewachsen war – ab zehn, halb elf befand er sich in einer Art Schwebezustand, in fortgeschrittener Horizonterweichung, die Nick und den anderen nicht lange verborgen blieb und, nach einigen Abrechnungsfehlern und Beschwerden von Gästen, zu seiner Versetzung an eine harmlosere Stelle geführt hätte, wäre nicht ohnehin die neu zusammengestellte Hausband in Aktion getreten. Nick unterbreitete ihm verlegen, aber geradeheraus den Vorschlag, bis nach dem Gig mit dem Trinken zu warten. Benno versprach es und hielt sich dran. Aber er langte dann umso kräftiger zu und musste des Öfteren von einem der Jungs nach Hause gebracht werden, wo er dann der verschlafenen Janet als willenloses Bündel ausgehändigt wurde.
Sie beklagte sich nicht darüber, aber ihm war es immer am nächsten Morgen so peinlich, dass er sich eine Zeit lang zusammenriss und die großen Schlucke für zu Hause aufsparte, dennoch passierte es ihm so etwa alle sechs Wochen, und er fühlte sich zusehends beschämter, lächerlicher und lästiger, und wenn dieses Gefühl zu stark wurde, begegnete er ihm mit verstärktem Erweichen.
Manchmal hatte er Angst, Janets Zuneigung zu versaufen, aber immer wenn er versuchte, aus ihren Worten oder der Färbung ihrer Stimme herauszuhören, ob es tatsächlich so war, dann erklang da nichts außer Freundlichkeit und Wärme. Sie schien es zu verkraften.
Die Carson Lounge konnte nicht viel zahlen – die anderen Musiker arbeiteten tagsüber alle im Studio oder gaben Unterricht, das konnte Benno nicht, weil er für beides zu eingleisig war, ein Spezialist für seine selbst erfundene Art der lyrischen Vernetzung.
Mit den dreihundert Dollar, die er in der Woche verdiente, kaufte er für Janet und sich das Essen ein, und es reichte noch für Drinks und neue Saiten. Mehr brauchte er nicht, denn er musste keine Miete bezahlen, kein Wasser, keinen Strom, er durfte nur nicht krank werden.
Die Lounge wurde ein Musikertreff und gelangte zu einem gewissen Ruhm – bald stand sie in den Reiseführern und tauchte in
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