APROPOS JANE ROBERTS - ERINNERUNGEN EINER FREUNDIN (German Edition)
Freitagabendtreffen fielen, aber das Ganze fand sicher in Nummer 458 statt. Wir tauschten ein paar Geschichten über unterhaltsame Begegnungen mit Fremden aus, als Jane begann, von ein paar „reichen, alten Dickwänsten“, wie sie sie nannte, zu erzählen, die sie und Rob in einer hiesigen Bar getroffen hätten und wie hinreißend doch Rob im Vergleich zu ihnen aussah. Nun, sicher war Rob immer schlank und adrett gewesen, aber als Jane mit dieser Geschichte fortfuhr (unter anderem, wie einer der unglückseligen Kerle sie gefragt hatte, wie viele Kinder sie denn zuhause habe und wie ihre anschauliche Antwort darauf gelautet hatte), wiederholte sie ständig die Worte „Dickwanst“ und „reich“. Immer und immer wieder, wie ein Mantra – der reiche Dickwanst sagte dies, der reiche Dickwanst sagte das, reiche Dickwänste hier und da und überall.
Nach einer Weile begann ich zu realisieren, dass mich das alles sehr störte. Ich wusste schon, woher es stammte, aber ich erinnere mich, voller Gemeinheit gedacht zu haben: „Hei Jane, wo liegt denn hier dein Problem ? Was ist denn schon dabei, wenn jemand ein wenig Geld oder ein wenig Fett hat? Es würde dir sicher auch nichts schaden, wenn du selbst von beidem etwas mehr hättest.“ Aber ich war mir natürlich meiner eigenen kompromisslosen Einschätzungen sehr wohl bewusst – zum Beispiel: „Religion ist etwas für Idioten.“ (Meiner Meinung nach immer noch eine ziemlich berechtigte Feststellung). So sagte ich zunächst einmal nichts. Ich war auch nicht so sicher, ob reiche Country Club-Typen, mit oder ohne dickem Bauch, überhaupt in einer der Bars herumhängen würden, in denen Jane und Rob verkehrten. Ich vermutete, dass sie den reichen Teil erfunden hatten – aber das war ja völlig egal.
Schließlich musste ich doch unterbrechen. „Komm schon, du stellst sie wie einen Haufen sabbernder Trottel dar,“ sagte ich. „Was hat denn ein dicker Bauch überhaupt mit all dem zu tun?“
„Klar, natürlich, du würdest es eben anders sehen,“ antwortete Jane allen Ernstes. Ich erinnere mich nicht mehr an meine Antwort darauf, wenn ich überhaupt eine gab – aber es ist wirklich komisch: Meinte sie, dass jemand mit meinem so genannten Hintergrund sich automatisch mit einem reichen Dickwanst einlassen würde, oder dass ich diese unliebsame Eigenschaft aufgrund einer Art Gewichtsloyalität entschuldigen würde, oder was? 3
Die Sache mit dem Frausein und die Sache mit dem Sex
Etwas weniger unterhaltsam als das Thema des reichen Dickwansts – ich war ja immer dabei, wenn es ums übertragene Auseinandernehmern von Männern aus welcher sozioökonomischen Schicht auch immer ging – waren die beißenden Schmähungen, die Jane manchmal über all jene mutmaßlichen Frauen ausgoss, die ihrer Meinung nach „nichts“ (wie ich mich erinnere) taten, als Zeit zu verschwenden, indem sie vom Einkommen ihres Mannes lebten, statt ihre eigenen Fähigkeiten in der Welt zu gebrauchen. Ich weiß nicht genau, was Jane jeweils dazu brachte, sich darauf einzuschießen (es ist nämlich genau die wirtschaftliche Voraussetzung, von der sich die Frauen in jenen Jahren befreiten); möglicherweise war es eine Rechtfertigung für ihre eigene Weigerung, sich irgendeiner Rolle anzupassen. Meistens war ich mit ihr einverstanden – es war ja nicht so, dass Jane oder ich Frauen verachteten, die keine richtige Arbeitsstelle hatten; es ging einfach einmal mehr darum, „zur Sache zu kommen“. Aber der ganze Frauen-Schriftstellerinnen-Bereich hatte mich ja schon immer erschreckt, da er scheinbar im Widerspruch zu allen anderen Möglichkeiten des Lebens stand.
Nein, was bei dieser bestimmten Bemerkung meine Aufmerksamkeit zu erregen begann, war, wie oft Jane den Ausdruck „große Titten“ in Sätzen wie „Frauen mit großen Titten, die den ganzen Tag herumsitzen und sich Seifenopern reinziehen“ verwendete, wie eine Art feminisierte Version der reichen Dickwänste, die in Quartierspelunken herumhängen. Erst, als ich sie das im Verlauf eines Jahres vielleicht ein halbes Dutzend mal hatte sagen hören, realisierte ich, dass es mich von Anfang an gestört hatte.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich allen meinen Mut zusammengenommen hatte, um darüber sprechen zu können (eigentlich war es mir überhaupt peinlich, Aufmerksamkeit darauf zu lenken) oder herauszufinden, was mich daran störte. Als ich es schließlich tat – ich glaube, ich sagte etwas im Sinne von: „Weißt du Jane, mir
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