Aqua
wieder seine Form, als würden große Felsbrocken unter der Oberfläche verschoben und bildeten immer wieder neue unsichtbare Hindernisse für Stromschnellen. Das blaue Ding auf der anderen Seite war noch da, schien sich aber ein paar Meter weiter flussabwärts zu befinden.
Jetzt fiel ihm eine weitere Stelle ein, wo das Fernglas sein könnte, nach dem er seit gestern vergeblich gesucht hatte. Und tatsächlich entdeckte er es in dem Wanderrucksack im Regal zwischen den Koffern in der Abstellkammer. Damit stieg er hoch auf den Dachboden, wo er die Luke soweit öffnete, dass er das Fernglas hindurchschieben konnte.
Das dunkle Teil, seine Farbe konnte blau sein, hatte er als zu klein und zu niedrig für das Dach eines Wagens eingeschätzt. Er war auch nicht auf die Idee gekommen, dass es zu einem kleinen Sportwagen gehören könnte. Wahrscheinlich waren die Rettungskräfte längst benachrichtigt, aber er wollte sicher gehen.
Seine langjährige Berufserfahrung in der Justiz hatte seine vom Wesen her bereits vorhandene ruhige Art noch weiter gefestigt, dennoch wählte er vor Aufregung den Notruf der Polizei, die seinen Anruf an die Feuerwehr weiterleitete.
Bald darauf ertönte zum zweiten Mal an diesem Tag die Feuerwehrsirene.
Wehrführer Hansen war seit gestern Nachmittag im Einsatz. Die ganze Nacht über hatten seine Leute und er mobile Hochwassereinrichtungen installiert, neuralgische Punkte vorsorglich mit Sandsäcken gesichert und die ersten Tauchpumpen waren ebenfalls bereits im Einsatz. Dabei hatte es ihn zusätzlich motiviert, wie sich die Jungen und Mädchen seiner Jugendfeuerwehr ins Zeug gelegt hatten.
Als der Funkspruch eintraf, wollte er gerade zum Mittagessen nach Hause und sich danach ein paar Stündchen aufs Ohr legen. Doch er spürte sofort, welche Chancen dieser Einsatz seiner Wehr bot. Jetzt war der Moment gekommen, wo er es den Bedenkenträgern aus dem Gemeinderat zeigen konnte.
Was hatten sie sich ihre dummen Mäuler zerrissen, als er sachlich und dezidiert die Neuanschaffung des Rettungsbootes für die Freiwillige Feuerwehr begründet hatte. Das Boot sei für Rettungseinsätze nicht tauglich, es diene nur der Motivation der Truppe, sollte quasi nur zum Vergnügen angeschafft werden. In jedem Gemeinderat, jedem Ausschluss, jeder Initiative fanden sich solche Typen, die es abends nicht zu Hause aushielten, von nichts eine Ahnung hatten, sich aber gern reden hörten. Ihm warfen sie vor, er würde für das Boot andere, dringendere Ausrüstungsgegenstände wie Schläuche vernachlässigen. Schläuche hatten sie heute wirklich schon viele gebraucht, aber die Leute im Ort hatten auch selbst Material und waren in vielen Fällen nicht auf die Feuerwehr angewiesen. Hochwasser war hier kein neues Phänomen. Und nun wurde das Rettungsboot gebraucht, um Leben zu retten – endlich.
Im Vernehmungsraum saßen sich auf der einen Seite Holtzer und sein Anwalt Haupenberg, die beiden ließen es sich nicht nehmen, Kaffee aus ihren eigenen Tassen zu trinken, und auf der anderen Seite Walde und Staatsanwalt Roth gegenüber. Holtzer schien sich mit seinem Anwalt darauf verständigt zu haben, diesem das Wort zu überlassen, und saß die meiste Zeit mit verschränkten Armen in aufrechter und wacher Haltung auf seinem Stuhl. Es lag etwas in seinem Blick, das Walde nicht so recht deuten konnte, aber als unangenehm empfand.
»Darf ich festhalten«, sagte Haupenberg, nachdem er in den Minuten zuvor keine von Waldes Fragen zum Verhältnis seines Mandanten zum Opfer und zum Alibi für die Tatzeit beantwortet hatte. »Mein Mandant hat ebenso wie Dutzende andere nicht gerade zu den Freunden des Herrn Bröding gehört und möchte sich nicht dazu äußern, wo er sich zur vermuteten Tatzeit aufgehalten hat.«
»Nicht unerheblich belastend scheint mir das Dossier zu sein.« Staatsanwalt Roth meldete sich erstmals zu Wort.
»Welches Dossier?«, fragte Haupenberg, während Walde darüber nachdachte, welch eines umständlichen Juristendeutschs sich Roth bediente. Konnte er nicht statt nicht unerheblich einfach erheblich sagen?
»Die Papiere haben wir Ihnen vorhin überreicht. In diesen hat Ihr Mandant zum Teil sehr brisante Informationen von Personen aus der lokalen Politik und Wirtschaft notiert. Besonders die Anmerkungen zu Herrn Bröding sprechen eine deutliche Sprache.«
Haupenberg schenkte sich aus der silberfarbenen Thermoskanne nach. »Diese Datei befand sich im Laptop meines Mandanten? Nur soviel, auf dem Rechner
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