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Aqualove

Aqualove

Titel: Aqualove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nola Nesbit
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ausgerenkt haben, sondern auch noch dastehen oder besser daliegen wie ein kompletter Vollidiot.
    Als ich mit beiden Füßen auf der anderen Seite landete, konnte ich mir ein leises „Yeah“ nicht verkneifen. Innerlich applaudierte ich mir kurz, bevor ich immer zwei Stufen nehmend zum Bahnsteig hinaufhastete. Fast oben angekommen, hörte ich schon das schrille Piepsen der sich schließenden Türen. Glücklicherweise befand sich eine der Türen direkt am Treppenaufgang, sodass ich mich mit einem waghalsigen Satz noch ins Innere des Waggons retten konnte. Ich schnaufte wie nach der dritten Presswehe – so stellte ich mir das zumindest vor – und fühlte, wie sich sofort nach dem Eintreten in die abgestandene Luft des Abteils ein Schweißfilm auf meiner Haut bildete. Ich versuchte mühsam, meinen Atemrhythmus zu kontrollieren, und suchte nach einem freien Platz.
    Zu spät kommen und einen Sitzplatz bekommen war bis heute noch ein Privileg der Älteren und Schwangeren. Einige Fahrgäste standen schon in den Gängen. Ich versuchte Halt an einem der Griffe zu finden, die an den Ecken der eisdielenbunten Sitzgruppen eingelassen waren. Ich hatte mir schon hundertmal vorgenommen, einen offenen Beschwerdebrief an die Designer der Stoffe für Eisen- und U-Bahn-Wagensitze zu schreiben: Was unbescholtenen Pendlern allmorgendlich und -abendlich an Farben und Formen zugemutet wurde, grenzte an Körperverletzung. Wie Gräser im Wind imitierten alle Fahrgäste gleichmäßig die Bewegungen des Zuges, als er langsam anfuhr und bald auf dreihundert Stundenkilometer beschleunigte.
    An der nächsten Haltestelle stiegen jedoch unerwartet viele Fahrgäste aus, sodass ich einen Platz am Fenster ergattern konnte. Als wir aus dem Bahnhof herausfuhren, bemerkte ich erst, wie kahl die Landschaft nach dem Winter aussah. Ich meinte mich zu erinnern, dass in den vergangenen Jahren wenigstens noch ein paar grüne Sprossen auf den Feldern zu sehen gewesen waren. Durch den PET-Regen wurde es immer schwieriger, noch essbare, resistente Getreidesorten zu züchten. Getreide brauchte Wasser, aber was nutzte dem Menschen verseuchtes Korn?
    Ich erinnerte mich an die Sorge meiner Eltern, als wir noch Kinder waren. In aller Munde war die Rohstoffknappheit. Mein Vater befürchtete, dass die Benzinpreise explodieren würden, meine Mutter hortete schon Holz für die zu erwartende Ölknappheit. Wie naiv waren sie gewesen. Alle hatten nur an das Öl gedacht. Kriege waren darum geführt worden, und dann hatte plötzlich das Wasser nicht mehr gereicht.
    Wasser, das blaue Gold. Natürlich hatte man den Klimaumschwung bemerkt, aber die Regierungen hatten nicht mehr schnell genug reagieren können. Erst vor zehn Jahren hatten die USA, China und Indien endlich verbindliche CO₂-Abkommen unterzeichnet. International bindende Umweltschutzrichtlinien waren immerhin seit knapp fünfzehn Jahren gesetzlich bei allen Industrienationen verankert worden. Aber bis dahin waren alle Zukunftsprognosen im Vergleich zur Wirtschaftsentwicklung immer wieder nach unten korrigiert worden. Autos fuhren elektrisch oder mit Alternativbrennstoffen, aber das Wasser hatte niemand ersetzen können. Kanada und die Vereinigten Staaten hatten schon immer um das Wasser in den großen Seen gestritten. Vor fünf Jahren war die NATO knapp an einem bewaffneten Konflikt vorbeigeschlingert. Der UN-Vermittler Luis Ramos hatte in letzter Sekunde zwischen beiden Nationen schlichten können. Wasser als Kriegsgrund, das hatte man sich in der westlichen Welt zwanzig Jahre vorher auch nicht träumen lassen.
    Der Treibhauseffekt, die weltweite Eisschmelze: Ich erinnerte mich, wie zurückhaltend die Staatengemeinschaft reagiert hatte, als ganze Landstriche in Afrika und Asien durch ausbleibende Niederschläge regelrecht entvölkert wurden. Kein Wasser, keine Nahrung, kein Leben. Andere, tropische Gebiete waren regelrecht weggeschwemmt worden. Was kriegerische Auseinandersetzungen nicht geschafft hatten, hatten entweder der Wassermangel oder die Überschwemmungen besorgt. Ganze Küstenregionen hatte sich das Meer einverleibt. An den entvölkerten Küsten plätscherte natürlich immer noch das salzige Wasser, im Landesinneren war Süßwasser zur Mangelware geworden. Wer sollte jetzt den reichen Industrienationen helfen? China und Indien hatten mit den Folgen ihrer dauerhaften Ignoranz der Umwelt ebenso zu kämpfen wie Europa und die USA. Letztere hatten früher begriffen, wie ernst die Lage war, aber zu lange

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