Aqualove

Körper bewohnten, hatte ich viel Zeit, Methoden zu suchen und zu entwickeln. Es war ein Wettlauf um die am besten funktionierende Technik. Und ich gewann. Für mein Volk war das wie die Entdeckung des Feuers. Und ich war Prometheus. Plötzlich hatten wir eine sichere Zukunft. Aber je länger ich Mensch war, desto zwiespältiger fühlte ich. Je länger ich Mensch bin, desto menschlicher fühle ich. Mittlerweile ist jede Jagd kaum noch zu ertragen. Die Spannung übt wie beim ersten Mal einen Kick auf mich aus, aber mit jedem Menschen weniger rückt auch das Ende meiner Aufgabe näher. Es ist wie bei einer aussterbenden Art: Jedem der letzten Exemplare wohnt eine besonders zu schützende Schönheit inne.“
    „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du über mich, über Menschen so sprechen kannst.“
    „Ich komme aus dem Wasser, Nia. Bei uns gibt es keine Individuen im menschlichen Sinne. Das Wichtigste ist der Schwarm, das Überleben der Art. Das ist unser Glauben, unser Wissen: Wir sind als Schwarm mehr als die Summe der einzelnen Teile. Jedes Mal, wenn wir in Neuseeland oder Bhutan Menschen aufspüren, wird das Leben des Einzelnen dem Überleben unseres Volkes untergeordnet.“
    „Musstest du deshalb bei unserem ersten Treffen so schnell weg?“
    Ethan nickte. „Es war kaum zu glauben, dass ausgerechnet in Sandy Hills noch zwei Menschen übrig waren. Du und ein Paul Sowieso. Er war riesig.“
    Ich starrte ihn an wie eine Erscheinung. Dann war die Erkenntnis endlich durchgesickert. O Gott! Er sprach von Cola. Mein Mund war zu trocken, um etwas zu äußern. Mein Verstand stand still.
    „Ich habe überall auf der Welt meine Leute, die überprüfen, ob und wo die übrig gebliebenen Menschen leben. Wenn es die Möglichkeit eines Zugriffs gibt, werde ich angerufen. Wenn nötig, reise ich dorthin und regele alles. Manchmal nehmen wir die Person mit, meistens berufen wir unser Volk und den Empfänger des Körpers dort ein. Alles wird durch das Wasser bestimmt. Nach all den Jahren hat jede Übergabe eines Körpers etwas Rituelles bekommen. Es passiert nicht mehr wie am Fließband, und die Übriggebliebenen werden hoch geschätzt.“
    Ich stand neben mir. Konnte es nicht fassen. Dachte an meinen Freund, den ich triefend nass vor mir gesehen hatte: er selbst und doch ein anderer. Sie hatten ihn im Wasser verwandelt.
    „Das ist entsetzlich.“
    „Nicht für uns. Für uns ist es immer noch überlebenswichtig. Als du mich im Restaurant attackiertest, war ich wütend und fasziniert zugleich. Wie konntest du nur so ungeschminkt einen solchen Verdacht äußern?“
    Ich schloss kurz die Augen. Versuchte, die Gedanken an Cola zu verdrängen. Was passiert war, war nicht mehr zu ändern. Ich zwang mich weiterzusprechen. „Was ich immer noch nicht verstehe: Warum hast du Ethan Watermans Identität angenommen? Waterman war tot. Es konnte nicht sein Körper sein, den du haben wolltest.“
    „Ich war selbstgefällig. Es war nur der Name, den ich für mich und meinen Bruder brauchte. Waterman. Ein Name ist wichtig. Er macht uns aus. Ich fühlte mich bei jeder Nennung an meine vergangene Welt erinnert.“
    „Hättest du darauf verzichtet, ich hätte keinen Ansatzpunkt für Zweifel an dir gefunden.“
    „Ich weiß. Es war meine selbst gemachte Achillesferse. Immer wieder gab es Zweifel an meiner Firma, aber niemand war mir mit seinen Anschuldigungen so nahe gekommen wie du. Die anderen Wassermenschen haben von mir und meinen Erfindungen profitiert. Ihr Überleben war meine Tarnung. Es gab einen natürlichen Schutz von allen Seiten. Keiner wollte unser Volk verraten.“
    Ich erinnerte mich an Pearl und Cola, die versucht hatten, mich von Ethan fernzuhalten – nicht offen, immer versteckt. Einfach weil sie wussten, dass er mächtig war. Aber auch sie hatten ihn loyal auf dem schmalen Grat unserer Freundschaft geschützt.
    „Wahrscheinlich war niemand zuvor verrückt genug, sich auszumalen, was du mit deiner wissenschaftlichen Arbeit geschäftlich vermarktet hast. Selbst ich kann es immer noch nicht glauben.“
    „Du hast gut recherchiert, oder sagen wir lieber: Pearl. Aber du hast daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Ich wollte dich so schnell wie möglich aus dem Verkehr ziehen, bevor du alles entdeckt hättest. Aber noch hatte ich keine DNA von dir. Ich musste dich also näher kennenlernen. Es ist völlig unglaublich, dass ein Mensch in deinem Alter sein Leben ohne Arztbesuche und gelegentliche Bluttests verbracht hat. Dass