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Aquila

Aquila

Titel: Aquila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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vergessen!«
    »Nora Thompson«, wiederholte er. »Mein Gott, die Arme ist noch im Parker House. Wahrscheinlich denkt sie, die Erde hat uns verschluckt!«
    »Jedenfalls müssen wir uns um sie kümmern.«
    »Sie hatte doch einen schönen Urlaub – alles frei, wenn du dich erinnerst.«
    »Holst du mich in einer Stunde ab? Ich muss für eine Dreiviertelstunde in die heiße Wanne. In meinem ganzen Leben war ich noch nicht so stocksteif, das merke ich erst jetzt.«
    »Mir geht’s genauso. Bis dann.«
    Der Morgen war klar, frisch und kalt. Als er an der Grünanlage von Cambridge vorbei fuhr, lag duftender Bodennebel über dem Rasen. Polly wartete auf dem Gehsteig und machte Atemübungen. Sie trug einen marineblauen Matrosenmantel, graue Hosen und Mokassins. Ihr Mund war 332
    kühl und frisch, als er sie küsste.
    Beim Frühstück hörte die überraschte Nora Thompson eine sorgfältig redigierte Version der Geschichte und glaubte ihren Versicherungen, dass nun alles vorüber sei. Die Welt sei nun für sie wieder sicher und sie könne friedlich nach Hause gehen.
    »Ich wusste schon seit ein paar Tagen, was in dem Päckchen war«, erklärte sie.
    »Wie das?«, fragte Colin mit großen Augen.
    »Ein Professor aus Oxford hat mich zurückgerufen, einer von Mr. Underhills Liste. Er sagte, ein Belgier, der mit dem armen Mr. Underhill in Bukarest zu Abend gegessen hat, habe ihm von dem Dokument erzählt. Können Sie das fassen? Er erzählt mir alles über George Washingtons Unterschrift, und dass er für die Engländer spioniert hat. Ich frage ihn, ob er das glaubt, ob er’s für die Wahrheit hält. Er sagt ganz von oben herab: ›Ich hege keinen Zweifel, dass Ihr Mr. Underhill ein Dokument in Händen hatte, aber das Dokument ist Quatsch. Mumpitz! Er hätte es besser wissen müssen.‹ Sagt er wörtlich.«
    Polly warf Chandler einen Blick zu. »Das scheint die generelle Meinung zu sein. Professor Prosser, Colins Fakultätsvorstand, war mehr oder weniger der gleichen Ansicht.«
    »Stimmt. Er sagt, es sei alles Unsinn.«
    »Dann sind diese Menschen für nichts und wieder nichts gestorben«, schloss Nora Thompson wehmütig.

    Am Nachmittag holten sie Hugh vom Krankenhaus ab. Er sah ein wenig spitz und blass aus, was er darauf schob, dass das Essen schwierig sei, mit Verbänden wie dicke Fäustlinge an den Händen.
    Sonst war er in guter Stimmung, auch wenn er nicht genau wusste, was eigentlich passiert war.
    »Prosser hat gesagt, ich habe einen der Mistkerle umgebracht.
    Das ist mir eine Genugtuung. Er meinte, ich hätte
    wahrscheinlich keine Anklage zu erwarten. Und jetzt hört: Er 333
    hat mir verraten, dass darüber spekuliert wird, ob die Zange und der kleine Asthmatiker russische Agenten waren. Jesus, was sagt man dazu! Toller Kerl, dieser Prosser. Verdammt gute Idee, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Und nun erzählen Sie mal, Miss Bishop – Polly, wenn ich Sie so nennen darf –, wie haben Sie’s geschafft, sich diesen Kerl hier so viele Tage vom Leib zu halten? Oder waren es Wochen? Ich weiß nicht mehr, wo oben und unten ist, wenn ich ehrlich sein soll.«
    »Hugh«, sagte Colin, als sie sich über die Massachusetts Avenue der Universität näherten.
    »Ja, mein Junge?«
    »Hugh, wir haben dir etwas zu erzählen.«
    »Was du nicht sagst …«
    Von Sonne und Kälte begleitet, schlenderten die drei durch das Gewirr der Straßen, die in den Harvard Square mündeten. Die Welt wirkte unberührt, ein bisschen wie neu geschaffen. Polly und Colin wechselten sich bei ihrem Bericht ab und ließen nichts aus. Am Fuß der Treppe zur Widener Library waren sie fertig.
    »Und das soll ich euch glauben?« Hugh hatte wieder Farbe im Gesicht und sah bereits ein wenig voller aus.
    »Kann man so was erfinden?«, fragte Polly.
    »Das ist ein Argument«, bestätigte Hugh, »Was sagst du, Colin?«
    »Es stimmt, so wahr mir Gott helfe.«
    »Dann ist also alles bloß ein Spielchen.« Er dachte über seine Behauptung nach und zuckte mit den Schultern. »Warum auch nicht? Immer noch besser, als zu glauben, dass hinter der ganzen Scheiße irgendein Sinn steckt … Wenn Prosser richtig liegt, erklärt das jedenfalls eine Menge. Unsere ganze Welt ist ja mehr oder weniger ein schlechter Scherz. Das passt dazu.«
    »Nur hart für die Leute, die sterben müssen«, warf Polly ein.
    Sie hakte sich erst bei Colin, dann bei Hugh ein.
    »Auch hart für die Leute, denen man die Fingernägel 334
    rausreißt.«
    »Das Schlimmste dabei ist«, sagte Chandler, »dass

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