Arabellas Geheimnis
der er sie vorgefunden hatte.
Das waren gefährliche Gedanken für einen Mann, dem man bereits unsittliches Benehmen Frauen gegenüber unterstellte.
„Was meint Ihr damit?“
„Ich benötige Eure Heilkünste. Doch hört zuerst, was ich zu sagen habe.“
„Seid Ihr verwundet?“ Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich von wachsam zu besorgt. Mit prüfenden Augen schien sie seinen Körper nach Verletzungen abzusuchen.
Und obwohl der königliche Zorn drohend über seinem Haupt schwebte, reagierte sein Körper auf die natürlichste Art. Was das wohl über ihn aussagte?
„Nein. Doch Eure Kenntnisse in der Heilkunst können mir helfen, Rosalyns Behauptung zu widerlegen. Ich brauchte Zeit und Abgeschiedenheit, um meine Geschichte zu erzählen, denn Ihr habt mich ja den ganzen Tag über gemieden.“
„Ich finde, dass ich gute Gründe dafür habe. Ihr umwerbt eine Frau, während Ihr eine andere in Euer Bett nehmt.“ Obwohl in dem kleinen Kamin ein Feuer loderte, zitterte sie ein wenig.
„Ihr irrt. Eure Prinzessin irrt. Und wenn ich auch verstehe, dass die Edle Dame Maria glaubt, ich hätte so etwas getan, so schwöre ich Euch, dass sie die falschen Schlüsse zieht. Ich bin nicht der Vater von Rosalyn de Clairs Kind, noch habe ich sie je anders als mit der gebotenen Zurückhaltung eines Höflings berührt. Das kann der ganze böhmische Hof bezeugen.“
„Vergesst nicht, dass ich besser als einige andere weiß, wie überzeugend Eure Berührungen sein können.“ Arabellas Wangen färbten sich rot.
„Das heißt aber nicht, dass ich sie jedem Mädchen, das mir über den Weg läuft, angedeihen lasse.“ Der Zorn packte ihn. Wäre Rosalyn ein Mann, hätte er seine Ehre mit dem Schwert verteidigt. Doch welche Waffe sollte er im Kampf gegen eine Frau wählen? „Mein König würde einem Mann solch eines Charakters nicht die Sicherheit von hundert Frauen während einer Reise quer über den halben Kontinent anvertrauen.“
„Dann sagt mir, Tristan, warum Rosalyn so etwas tun sollte? Wenn Ihr nicht der Vater des Kindes seid, warum sollte sie der Prinzessin dann nicht einfach den richtigen Mann nennen?“ Arabella stand so dicht vor ihrem Himmelbett, dass Tristan nicht anders konnte, als sich vorzustellen, wie einfach es wäre, sie jetzt in den heimeligen Raum zu ziehen, der sich hinter diesen schweren Vorhängen verbarg.
„Vielleicht ist ihr Geliebter jemand, den ihre Familie ablehnt. Kann sein, dass er ihrer auch müde geworden ist. Ich weiß es nicht. An dem Tag, an dem wir Prag verließen, habe ich sie überhaupt zum ersten Mal bemerkt. Sie hatte es darauf abgesehen, wann immer sie konnte, neben mir zu reiten. Und sie stellte sich auf eine Art und Weise zur Schau, die mir sagte, dass sie nicht mehr unschuldig war.“
In diesem Moment hörte Tristan Stimmen draußen auf dem Gang. Warnend legte er Arabella den Finger auf den Mund. Als das Frauenlachen sich entfernte, nahm er die Hand von ihrem Mund und bedeutete ihr, auch weiterhin leise zu sprechen.
„Und Ihr nahmt nicht einfach, was sie Euch anbot?“ Als sie ihn jetzt ansah, lag in ihren Augen eine dunkle Erregung.
Überrascht über die Direktheit ihrer Frage erinnerte Tristan sich, dass Arabella wegen ihrer ungewöhnlichen Erziehung nicht so mit den gesellschaftlichen Konventionen vertraut war wie ihre Standesgenossinnen.
„Selbst wenn ich hätte bei ihr liegen wollen, hätte ich es nicht riskiert, solange sie unter meinem Schutz steht. Für mich ist das eine Frage der Ehre. Und ich habe Grund anzunehmen, dass mein König nach dieser Reise meine Dienste belohnen wird. Also wäre ich, wenn schon nicht aus anderen Gründen, allein deswegen vorsichtig.“ Vor seinem Tod hatte der Schwarze Prinz Tristan Land und einen Titel versprochen. Nun, fünf Jahre später, musste der junge König Richard Tristan entweder dieses Land geben, weil dieser seinen Auftrag erfüllt hatte, oder ihn aus dem Dienst der Krone entlassen, damit er anderswo sein Glück suchte. Tristan wusste das.
Eine ganze Zeit lang schien Arabella seine Worte abzuwägen. Endlich nickte sie leicht, als würde sie die Wahrheit seiner Erklärung anerkennen. Oder war das nur Wunschdenken von ihm?
Sie ging einige Schritte von ihm fort und spielte dabei mit einem kleinen Säckchen. Tristan erkannte in ihm den Beutel, den sie immer bei sich trug.
Neugierig trat er näher und beobachtete, wie ihre Finger den Beutel zusammenpressten. Aus dem Samtsäckchen stieg ein Duft, den er inzwischen mit ihr verband.
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