Arabellas Geheimnis
Warnungen vor ihnen. Geflüsterte Unterhaltungen, die Arabella zu betreffen schienen und die abgebrochen wurden, kaum dass sie sich dazugesellte.
Im Schlaf verhedderte sie sich in den Betttüchern, und das brachte sie in die Wirklichkeit zurück, obwohl sie gerne noch ein wenig weitergeträumt hätte, um zu verstehen, welche Botschaft darin enthalten war. Hatte ihre Familie ihr etwas verheimlicht? Vielleicht würde Tristan wissen, was die Träume bedeuteten. In ihrer Vision schien er so fest entschlossen gewesen zu sein, von ihrer Großmutter die Wahrheit zu erfahren. Außerdem war er jetzt ihr Ehemann. Ihr Geliebter.
Sie entsann sich ihrer gemeinsamen Nacht und tastete dort im Bett nach ihm, wo er liegen sollte.
Tristan?
Nackt bis auf das Betttuch um ihre Hüften fuhr sie hoch. Im fahlen Licht der Dämmerung sah der Raum kalt aus. Der Platz neben ihr war leer.
Sie stand auf und wollte nach einem Gewand greifen, als ihr einfiel, dass sie die Nacht nicht in ihrer eigenen Schlafstatt verbracht hatte. Außer ihrem Nachtgewand waren hier keine Kleider, und das Nachtkleid würde sie nicht wärmen. Sie durchsuchte die Kammer und fand eine von Tristans Tuniken.
Der für Windsor typische Geruch nach Seife und noch etwas anderem – vielleicht Apfelblüten – war für sie inzwischen vertraut geworden. Sie kannte ihn von ihren eigenen Kleidern, die seit ihrer Ankunft von den hiesigen Mägden gewaschen wurden. Sie streifte sich die Tunika über den Kopf und raffte sie etwas, während sie die Bänder zuschnürte, um ihre Brüste zu bedecken.
Er hatte sie zurückgelassen, sodass sie nach ihrer Hochzeitsnacht allein aufwachte. Die volle Bedeutung dieser Tatsache ging ihr erst auf, als sie sich die Schuhe anzog, um in ihre eigene Kammer zurückzukehren. Er meinte es nur zu ernst, wenn er in ihrer Heirat nur eine rechtliche Angelegenheit sah und kein romantisches Märchen. Diese Erkenntnis verletzte Arabella tief, da sie noch immer den Schmerz verspürte, der ihr durch die Einführung in das Frausein zugefügt worden war.
Sie griff nach dem achtlos zu Boden geworfenen Nachtgewand, das Prinzessin Anne ihr in der Hoffnung auf eine gute Ehe geschenkt hatte, und schlüpfte durch die Tür hinaus auf den Gang. Wenn Tristan von einer Heirat nicht mehr erwartete als eine gesetzlich bestimmte Vereinigung zur Sicherung seines Besitzes, dann konnte er das haben. Es gab keinen Grund für sie, allein in seiner Kammer zu liegen, wenn sie Freunde in der Nähe und ein Land zu entdecken hatte. Und wenn sie sich in der Kunst des Heilens weiterbilden musste. Sie würde ihr Leben in den Dienst der Kranken stellen. Wegen eines Ehegelübdes, das sie einem Mann gegeben hatte, der sie gar nicht wirklich wollte, musste sich daran nichts ändern.
Es war auch nicht wichtig, dass in der vergangenen Nacht seine Küsse ihr etwas anderes erzählt hatten, etwas … Unglaubliches.
Das Schlimmste, was sie tun konnte, war, ihn wissen zu lassen, dass er sie gekränkt hatte. Besser war es, einfach so zu tun, als hätte sie seine Abwesenheit kaum bemerkt. Doch als sie in den frühen Morgenstunden wieder ihr Gemach betrat, fragte sie sich doch, wie es wohl gewesen wäre, die Hochzeitsnacht mit einem Mann zu verbringen, der sie wegen mehr achtete als nur ihrer Fähigkeit, ihm die Gunst seines Königs zu sichern.
Die Jagd auf Geister wäre für Tristan vielleicht erfolgreicher gewesen als die Jagd auf zwei böhmische Fremde.
Die Menschen, die in und rund um London lebten, begegneten ihm misstrauisch und zum Teil sogar feindselig. Wenn ihm einer überhaupt antwortete, dann vage und lustlos.
Als er jetzt durch den Wohnturm zum großen Saal stürmte, wollte er nur noch eines: Arabella finden. Als er am Nachmittag in sein Gemach zurückgekehrt war, hatte er weder sie dort vorgefunden noch waren ihre Habseligkeiten dorthin gebracht worden, wie es angeordnet worden war. Er hatte sie auch nicht unter den Begleiterinnen der Prinzessin finden können, die sich auf die morgige königliche Hochzeit vorbereiteten. So hatte er Arabella auch nicht fragen können, wieso sie glaubte, sie würden weiterhin getrennte Räume bewohnen. Wieder einmal schien er Geister zu jagen.
Beim Betreten des großen Saals entdeckte er sie endlich an einem der Schragentische, zusammen mit Maria und Simon. Jetzt hätte er sich einfach dazugesellen und seinen Ärger für diesen Tag beiseiteschieben können. Doch ihr Anblick regte ihn auf, denn sie trug ihr Haar aufgesteckt und darüber einen
Weitere Kostenlose Bücher