Arabellas Geheimnis
Burgvogt ein Vermögen verdienen konnte, indem er das Geheimnis an jemanden verkaufte, der Ravenmoor den Krieg erklären wollte.
„Glaubst du, dass wir je wieder in den Genuss einer Nacht voller Schlaf kommen werden?“, wollte Simon wissen, während er mit einem Hammer leise die Mauern an der westlichen Seite der Burg abklopfte. Der fortwährende Widerhall von Stahl auf Stein war inzwischen zu einem vertrauten Klang geworden. Seit ihrer Ankunft in Northumbria hatten sie sich schon unzählige Nächte nach dem geheimen Tunnel umgesehen.
„Ich kann nicht schlafen, wenn ich fürchten muss, dass man mir im Schlaf die Kehle durchschneidet.“
Die Bedrohung durch einen unterirdischen Gang war so beunruhigend, dass Tristan sich schon dabei ertappt hatte, wie er davon träumte. Das hatte etwas in ihm verändert und ihn daran erinnert, wie ungerecht er Arabella gegenüber gewesen war, als er ihre Träume als fantastische Einfälle abtat. Er war bereit, sich für seine Worte zu entschuldigen, und auch für anderes, was er gesagt hatte. Aber anscheinend war seine Frau so schwer zu finden wie der Gang. Nachdem sie Marias Krankheit und die Wunde des Bewaffneten behandelt hatte, verwandte sie ihre ganze Aufmerksamkeit darauf, ihr Heim bewohnbar zu machen. Das war eine Aufgabe, die genauso viel von ihrer Zeit beanspruchte, wie er von seiner brauchte, um ihr Heim sicherer zu machen.
Wie Tristan bemerkte, war die Einrichtung der Burg auch eine Aufgabe, die Arabella von seinem Bett fernhielt.
„Warum, glaubst du, wollen sie Arabella haben?“ Simon musste nicht lange erklären, wen er meinte. Die Tatsache, dass Fremde Arabella entführen wollten, war zum Teil der Grund, warum sie so viel Zeit der Suche nach einem Gang widmeten, der vielleicht existierte, vielleicht aber auch nicht.
„Ich weiß es nicht“, erwiderte Tristan, obwohl er nicht aufhörte, darüber nachzudenken. „Es hört sich an, als wäre ihre Großmutter überall in Böhmen bekannt und auch geachtet. Vielleicht will diese Gruppe durch Arabella Kontrolle über ihre Großmutter gewinnen. Vielleicht glauben sie, der Segen der Großmutter würde ihnen mehr Gefolgsleute zutreiben.“
„Sie sind Ketzer.“ Simons Worte wirkten ruhig. Düster. „Meinst du wirklich, sie interessieren sich für irgendeinen Segen?“
Das Gewicht seiner Worte echote dumpf von den Wänden ringsumher.
„Kannst du dir eine andere Begründung vorstellen, warum Arabella für sie wertvoll sein könnte? Ihr Vater ist tot. Ob er ein Edelmann war oder nicht, er hat sie nie in irgendeinem offiziellen Sinn als seine Tochter anerkannt. Sein Besitz ging an die Krone. Diese Gauner können nicht vorhaben, sie auf traditionelle Art gegen Lösegeld oder Macht einzutauschen.“ Mit seinem Hammer zerschlug er einen Stein, der aus der Mauer herausragte. Kleine Brocken fielen auf sein Handgelenk und auf den Boden, während er weitere Schichten der dicken Felswand dahinter freilegte.
„Was sagt Arabella dazu?“
Tristan antwortete nicht gleich. Er wollte nicht zugeben, dass sich zwischen ihm und seiner Frau ähnliche Wände wie hier auftürmten.
„Tristan?“ Simon hämmerte für einen Moment nicht weiter. Jenseits des höhlenartigen Raums konnten sie die Meeresbrandung wahrnehmen.
„Seit unserer Ankunft hatten wir wenig Zeit, miteinander zu sprechen.“ Er gab nicht preis, dass ihre wenigen Gespräche im Streit endeten und dass in den Nächten, in denen er sie in ihrem Bett besuchte, sie ihn nicht wirklich willkommengeheißen hatte, selbst wenn es ihm gelungen war, ihren anfänglichen Widerstand zu brechen.
Ihre Veränderung war so offensichtlich, dass es ihn erschütterte. Seither waren seine Besuche seltener geworden, auch wenn er bei zwei Gelegenheiten die ganze Nacht bei ihr geblieben war und sie mitten in der Nacht geweckt hatte, um sie zu nehmen. Erst dann, als es ihm gelungen war, sich wie ein Dieb hinter ihre Verteidigung zu schleichen, gab sie sich ihm völlig hin und erinnerte ihn an all das, was er bei anderen Zusammenkünften vermisst hatte.
„Vermutlich liegt das daran, dass du deine unbedachte Zunge damals auf der Straße außerhalb Londons nicht halten konntest, nicht wahr? Du nanntest sie fast schon eine Ketzerin, und das auch noch vor jedem, der jetzt Bewohner deiner Burg ist.“
Tristan legte seinen Hammer beiseite.
„Ich habe sie geheiratet, um zu beweisen, dass sie an solchen Verbrechen unschuldig ist.“ Zorn stieg in ihm hoch, zum einen wegen seiner eigenen Schuld
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