ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Krüge in einer Schenke trinken und die Ohren aufsperren.«
»Ich denke, selbst an einem so abgelegenen Ort wie diesem hier hätte ich etwas von einer Frau, die mit Ambris kämpft, mitkriegen müssen.«
Aralorn lachte. »Die Hälfte aller jungen Männer in Sianim malt ihre Streitkolben schwarz an. Und in der Roten Lanze, nur ein paar Häuserblöcke vom Regierungsgebäude entfernt, hängt ein bronzener Zeremonienspeer an der Wand, von dem der Wirt steif und fest behauptet, dass es Nekris wär. Ich schätze, du und ich, wir brauchen uns keine Gedanken mehr wegen des ae’Magi zu machen. Wir nehmen einfach Nekris und Ambris und machen ihm den Garaus.«
Nach ein paar schweigsamen Schritten setzte sie hinzu: »Obwohl ich gestehe, dass ich mir, als ich’s in der alten Waffenkammer auf Lammfeste entdeckt hab, immer eingebildet hab, ich hätte Ambris gefunden. Aber damals war ich ein Kind, nicht viel älter als die Kleinen hier.«
Sie zückte das Schwert und hielt es in die Höhe. Es funkelte rötlich-golden im Sonnenlicht, aber abgesehen von der zugegebenermaßen ungewöhnlichen Färbung war es schmucklos und schlicht. »Wahrscheinlich wurde es für eine Frau oder einen heranwachsenden Jungen gemacht. Siehst du, wie schmal es ist?« Sie drehte die Klinge ein wenig zur Seite. »Die Farbe ist vermutlich das Ergebnis verschiedener, miteinander verbundener Schmiedemetalle, um es stabiler zu machen, damit es, trotz seiner Zierlichkeit nicht bricht. Sogar das Metallheft ist nichts Ungewöhnliches. Bevor die Zahl der Magieanwender wieder anstieg, wurden viele Schwerter mit Metallgriff gemacht. Erst in den letzten zwei Jahrhunderten sind solche Hefte seltener geworden.« Als ob er eine Nachhilfestunde zu diesem Thema brauchte. »Tut mir leid«, sagte sie verlegen. »Das passiert mir immer, wenn ich Kindern gerade eine Geschichte erzählt hab.«
»Wie lange hast du dir eingebildet, es wäre Ambris?«, fragte Wolf.
»Nicht lange«, erwiderte sie. »Es ist keine Magie darin. Keine menschliche, keine grüne, gar nichts. Und ich kam nicht umhin, mir einzugestehen, dass die legendären ›Waffen des Schmieds‹ magisch sein mussten.« Sie lächelte reumütig. »Und natürlich viel größer, wie es einer Waffe, die geschaffen wurde, um Götter zu erschlagen, wohl ansteht.
Es mag vielleicht nicht Ambris sein, aber« – Aralorn führte ein paar rasche Schwungkombinationen aus – »es ist leicht und gut ausbalanciert und nimmt einem Gegner ordentlich Biss. Was will man mehr? Mehr muss ein Schwert für mich nicht können, somit erfüllt es ganz seinen Zweck. Wenn ein Messer oder Kampfstab genügt, benutze ich kein Schwert, also muss ich auch nicht befürchten, versehentlich einen Magier damit zu erlegen.« Sie steckte das Schwert wieder weg und gab ihm einen liebevollen Klaps.
Diesmal nahmen sie vom Eingang der Höhle einen anderen Weg zur Bibliothek. Aralorn wusste nicht, ob es Absicht war oder bloß Gewohnheit. Wolf schritt die gewundenen Gänge ohne Zögern voran, duckte sich unter den Felsvorsprüngen und herabhängenden Gesteinsformationen geschmeidig hinweg, wenn das Licht der Kristalle an seinem Stab sie erfasste; doch sie hatte das Gefühl, dass er, wenn sie nicht wäre, das Licht gar nicht brauchte.
Die Bibliothek war so, wie sie sie verlassen hatten. Bald schon ging Aralorn dazu über, die Wälzer nur noch zu überfliegen, anstatt sie zu lesen – trotzdem war der schiere Umfang der Büchersammlung entmutigend. Ein oder zwei Mal ertappte sie sich dabei, dass das Buch, mit dem sie am Tisch ankam, gar nicht das war, welches sie mitnehmen hatte wollen. Als es ihr zum vierten Mal passierte, war sie sicher, dass sie sich nicht einfach nur versehentlich ein falsches Buch gegriffen hatte: Das Buch, das sie aus dem Regal genommen hatte, war unhandlich und sperrig gewesen. Doch das, welches sie Wolf zur näheren Prüfung vorlegte, war kaum mehr als ein Pamphlet.
Verwirrt ging sie zu dem Regal zurück, aus dem das Buch stammte, und stellte fest, dass der dicke Foliant, den sie hatte nehmen wollen, immer noch dort stand, wo sie ihn entdeckt hatte. Gedankenvoll klopfte sie auf den Buchrücken des Wälzers, dann musste sie über sich lächeln – Magierbibliotheken hatten, wie es schien, so ihre Eigenarten. Und es hatte auch nichts mit ihrem Glückszauberspruch zu tun, denn der hatte sich schon wenige Minuten nachdem sie ihn gewirkt hatte zerstreut.
Wolf hatte keinerlei Notiz von ihrem Tun genommen. Wortlos nickte er und schob das
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