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ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)

ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)

Titel: ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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Wolfsgestalt.
    Eine ganze Weile sah sie ihn bloß an, länger, als eigentlich nötig, wie sie feststellte, und überlegte, wie sie am angemessensten reagierte. Dann stand sie auf, ging um den Tisch herum, beugte sich zu ihm herab und küsste ihn leicht auf die Lippen.
    Während sie anschließend wieder zu ihrem Platz zurückging, sagte sie ruhig, dabei die Augen unverwandt auf sein Gesicht gerichtet: »Wenn du willst, nimm die Maske ab, wann immer wir alleine sind. Ich schaue lieber dich an als irgendeine Maske.«
    Er lächelte sie warm an, mit seinen Augen. Dann beantwortete er ihre Frage, die sie nicht zu stellen gewagt hatte: »Es war dieser Zauber, über den ich die Kontrolle verloren hab. Ich sagte dir ja bereits, dass unkontrollierte Magie die Form von Feuer annimmt.« Während er sprach, ballte er die Faust, dann öffnete er sie wieder und zeigte ihr die Flamme darin. »Menschenfleisch brennt leichter als Stein, und der ae’Magi konnte seinen Schild nicht schnell genug um mich herum ausdehnen.«
    Das war geschehen, als er fünfzehn gewesen war, erinnerte sich Aralorn. Es bedurfte einiger Mühe, aber sie spürte, dass er immer noch beklommen war, also grinste sie und schlug scherzhaft seine Hand beiseite. »Schaff das hier raus. Gerade du solltest es besser wissen, als mit Feuer rumzuspielen.« An seinem Lachen erkannte sie, dass sie den richtigen Kurs eingeschlagen hatte, und war dankbar für all die Jahre des Schauspielerns, die es ihr nun ermöglichten, die Situation zu entkrampfen.
    Folgsam löschte er die Flamme und wandte sich mit der gewohnten Ernsthaftigkeit wieder seinem Folianten zu. Aralorn ihrerseits begab sich zum nächstgelegenen Regal und nahm ein neues Buch heraus.
    Nachdem es ordnungsgemäß auf Tücken und Fallen untersucht worden war, schlug sie es auf und tat so, als würde sie lesen, während sie in Wahrheit über ein paar andere Fragen sinnierte. Dinge wie: Warum war ein Magier, der auf unbegrenzte Zeit die Gestalt eines Wolfes annehmen konnte, nicht imstande, sein Gesicht zu verändern, sodass es nicht mehr von Narben entstellt war? Die wahrscheinlichste Antwort darauf war, dass er es nicht wollte. Das wiederum warf eine ganze Reihe weiterer Fragen auf.
    Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie erschrocken aufsprang, als Wolf laut verkündete, dass es Zeit zum Aufbrechen sei. Sie legte das Buch, das sie aufgeschlagen hatte, auf den Tisch, gleich auf das Buch, von dem sie Wolf ganz vergessen hatte zu erzählen. Morgen war für beide Bücher immer noch genug Zeit. Als sie sich hinter Wolf in Bewegung setzte, nahm sie aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung wahr; doch als sie sich umdrehte, war nirgends etwas zu sehen. Trotzdem hatte sie den ganzen Rückweg durch die Höhlen das seltsame Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden. Orte, an denen Magie gewirkt wurde, verursachten häufig diesen Effekt, daher schwieg sie.
    Draußen angekommen fiel Aralorn eine verblasste Zeichnung direkt im Eingang auf. Irgendeine Art von Abwehr, wie sie annahm, da sie sich um die ganze Höhlenöffnung herum zog. Schon lange vor ihnen mussten Menschen hier gewesen sein, dachte sie, während sie das schwache Muster leicht berührte. Unter ihren Fingerspitzen spürte sie das wohlige Pulsieren grüner Magie.
    Über ihnen war der Himmel in das Halbdunkel des frühen Abends getaucht. Regentropfen fielen vereinzelt herab, zögerlich fast und eisig und kalt auf der Haut. Es ging kein Wind hier oben, doch Aralorn konnte ihn durch die nicht weit entfernt stehenden Bäume tanzen hören. Besorgt schaute sie hinauf. Es war noch zu früh für Schnee, aber die Berge waren für ihre ungewöhnlich starken Stürme bekannt, und der eisige Regen ließ nichts Gutes ahnen.
    Wolf bemerkte ihren Blick. »Vermutlich kriegen wir heute Nacht keinen Schnee«, sagte er. »Morgen vielleicht. Wenn er zu früh kommt, müssen wir die Leute unter Umständen in die Höhlen umquartieren. Aber das würde ich lieber vermeiden. Wie schnell man sich in ihnen verlaufen kann, haben wir ja schon gesehen. Und nächstes Mal gibt’s vielleicht keine Rettung.« Sie sah, dass er, ohne dass sie es mitbekommen hatte, seine Maske bereits wieder aufgesetzt hatte.
    Auch wenn Schnee ihnen erspart blieb, hätte es keinen großen Unterschied gemacht. Der Sturm, der in dieser Nacht über sie hinwegfegte, war heftig und kalt. Achtlos zerfetzte er die behelfsmäßigen Zelte, die nach wie vor den größten Teil des Lagers ausmachten. Alle drängten

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