ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Als sie wieder auf die Beine kam, stürmten bereits zwei Uriah auf sie zu. Sie nutzte den Sekundenbruchteil, bevor sie angriffen, um nach einem möglichen Ausweg zu suchen, doch überall, wohin sie auch blickte, kamen noch mehr von den Unholden näher und näher.
Düster dachte sie an einen der klugen Sprüche, die Ren immer zum Besten gab – Unbesonnenheit fordert ihren vollen, grausamen Preis. Sie hob das Schwert in dem nutzlosen Versuch, sich zu wehren, und wartete darauf, dass sie starb.
Es schien ewig zu dauern. Sie schwang die Klinge, und Gliedmaßen purzelten zu Boden, sich windend und zuckend, als wären sie nicht bereit, mit trauervoller Würde dem Tod zuzustimmen. Holte wieder und wieder aus und schlug zu, bis ihre Arme schwer wurden und die Schultersehnen brannten wie von einer sie langsam zersetzenden Säure. Ihr Körper war über und über von unzähligen Kratzern und Schrammen bedeckt.
Überraschenderweise war keine der Wunden für sich gesehen gefährlich; aber in ihrer Gesamtheit zehrten sie an ihren Kräften und schwächten ihre Reflexe. Und der Zustrom der Uriah riss nicht ab. Die Schreie des Pferdes waren verstummt, wofür sie zutiefst dankbar war. Ihre Rettungsmission war eine dumme Idee gewesen; einem Menschen, der sich hier aufgehalten hatte, konnte nichts und niemand mehr helfen. Der Wallach hatte für diese Torheit mit seinem Leben bezahlt, und sie würde ihm bald folgen.
Ihre Begabung als Geistessprecher war weniger als gering, dennoch sandte sie einen Schrei der Not auf einem Faden von Magie in den Äther hinaus, auf dass Wolf oder irgendwelche Götter ihn vielleicht hörten. Dann biss sie sich auf die Lippe und hackte und zerstümmelte erbarmungslos weiter.
Als ihr endlich dämmerte, was hier vorging, waren ihre Arme bereits seit längerem taub. Sie stimmte ihre Hiebe auf den Rhythmus des Kehrreims in ihrem Kopf ab: Du blöde, blöde, dämliche Kuh .
Sie hätten sie jederzeit töten können, wenn sie gewollt hätten, aber sie wollten es nicht. Sie versuchten sie gefangen zu nehmen, um sie zur peinlichen Befragung mit zurück zum ae’Magi zu nehmen. Allein der Gedanke daran weckte neue Kräfte. Wenn es ihr gelang, sich genug Spielraum zu verschaffen, konnte sie ihr Messer zücken und sich das grausame Schicksal ersparen, ein weiteres Mal vom ae’Magi ins Verhör genommen zu werden. Ihr Schwert war, obschon kleiner als üblich, immer noch zu unhandlich, um sich damit blitzschnell zu töten.
Sie wirbelte herum und schlitzte einer der Kreaturen den Bauch auf, als sie plötzlich hinter sich eine Störung wahrnahm, eher eine Art Angriffspause als ein Geräusch. Bevor sie erneut ausholte, erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf Talors Gesicht. Nur um Haaresbreite konnte sie verhindern, dass sie ihn traf, wobei ihre Klinge in einer denkbar ungünstigen Verteidigungsstellung verharrte. Aber das machte nichts, denn schließlich war es Talor.
Sie blinzelte sich den Schweiß aus den Augen. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Galle stieg ihr die Gurgel empor, als sie ihr Schwert wieder hob, doch bevor sie es herabsausen lassen konnte, wurde sie hinterrücks gepackt und fest umklammert.
Was dann geschah, reichte aus, um ihre schlimmsten Albträume zu übertreffen. Talor lächelte – und es war Talor trotz des verrottenden Fleischs – und sagte mit Talors neckender Stimme: »Ich hab dir ja gesagt, dass du deine Schläge immer zu Ende führen sollst, sonst wird aus dir nie ein Schwertmeister.«
Sie glaubte sich schreien zu hören, aber es konnte auch der Ruf eines Uriah gewesen sein, dem das Glück zuteil geworden war, sich an dem toten Wallach gütlich zu tun.
7
Geschmeidig sprang der Wolf über den kleinen Bach hinweg, der eine Woche vorher noch nicht dort gewesen war, und landete in dem weichen Matsch auf der anderen Seite. Das Mondlicht ließ weitere Hinweise auf das noch nicht lange zurückliegende Unwetter erkennen – durchgebogene und unter der Last des heftigen Schneefalls abgebrochene Äste, lange, flachgedrückte Gräser. Die Luft war klar und frisch, reingewaschen von starken Gerüchen.
Es war jetzt nicht mehr weit bis zum Lager, und trotz seiner Erschöpfung beschleunigte er seinen Lauf. Als er wenig später den Rand des Tals erreichte, fand er es verlassen vor. Worin er jedoch keinen Grund zur Sorge sah. Wenn schon nicht der Sturm sie in die Höhlen getrieben hatte, dann auf jeden Fall das Schmelzwasser der Schneemassen, das den größten Teil der Talsohle in einen Sumpf
Weitere Kostenlose Bücher