ARALORN - Die Wandlerin: Roman (German Edition)
Augenblick einfiel. Sie nickte. »Wenn wir im Schritttempo bleiben. Ich fürchte, bei einem längeren Trab kipp ich irgendwann aus dem Sattel.«
Er nickte und sprach drei oder vier knappe Worte in einer ihr unbekannten Sprache. Er machte bei dem Verwandlungszauber auch kein großes Gewese. Lediglich die Luft um ihn herum begann seltsam zu flimmern. Nicht unangenehm – nur schwierig mit dem Auge zu erfassen, und viel schöner, als wenn sie ihre Gestalt wechselte. Im nächsten Moment schnaubte sie der Rappe an, zu dem Wolf geworden war, und schüttelte sich dann, als wäre er nass geworden. Seine Augen waren so schwarz wie sein Fell, und für einen Moment wünschte sie sich, dass sie seine eigenen geblieben wären, ganz gleich, wie kurios ein Pferd mit goldenen Augen aussehen mochte.
Ungelenk richtete sie sich auf, versuchte, nicht zu taumeln – oder wieder loszuhusten. Als sie sich einigermaßen dazu in der Lage fühlte, kam sie auf wackligen Beinen zu ihm herüber, froh, sich an seinem Hals festhalten zu können.
Leider war das Wolf-Pferd, obwohl es nicht so massig wie Schimmer war, nichtsdestoweniger groß, und sie schaffte es nicht hinauf. Nach ihrem dritten Anlauf knickte er schließlich die Vorderbeine ein, sodass sie sich auf seinen Rücken schieben konnte.
Er brachte sie einen alten, nicht mehr genutzten Pfad hinunter. Die einzigen Spuren darauf stammten von heimischen Wildtieren. Die Wälder ringsum waren zu dicht, um ein leichtes Vorankommen zu ermöglichen, doch Wolf schien sie gut zu kennen – als der Pfad sich in einem saftigen Wiesengrund verlor, nahm er ihn auf der anderen Seite wieder auf, ohne die Richtung auch nur um einen Schritt korrigieren zu müssen. Wolfs Gangart war noch sanfter als Schimmers; trotzdem schmerzten ihr bei jeder Bewegung die Rippen.
Als es schlimmer wurde, dachte sie sich, nur um sich abzulenken, fast wahllos irgendeine Frage aus. »Wo hast du hier draußen einen Heiler aufgetrieben?«
Ein Grünmagier hätte sich niemals in solcher Nähe zur Burg aufgehalten. Abgesehen von ihr vielleicht, dachte sie, aber sie war keine Heilerin – grüne Magie hin oder her.
Es war ein Fehler gewesen, den Mund aufzumachen. Der Staub der Straße löste einen neuen Hustenanfall aus. Wolf blieb stehen und drehte den Kopf, sodass es ihm möglich war, sie aus einem seiner schwarzen Augen anzusehen.
Als sie zu Luft gekommen war, begegnete sie seinem Blick, und die Sorge darin gefiel ihr gar nicht. Es ging ihr gut. »Wenn du viel bezahlt hast, bist du übers Ohr gehauen worden. Jeder Heiler, der seinen Lohn wert ist, hätte sich auch um meine Rippen und den Husten gekümmert.«
Wolf zuckte mit den Ohren und erwiderte mit einer selbst für seine Verhältnisse merkwürdigen Stimme: »Er hatte nicht genug Zeit dafür. Und selbst wenn er sie gehabt hätte, hätte ich ihm zu wenig vertraut, um ihn mehr als das absolut Notwendige machen zu lassen – er … besaß nicht die Ausbildung dafür.«
Aralorn hatte den dumpfen Verdacht, dass sie mehr auf die Art und Weise achten sollte, wie er seine Erklärung formulierte, doch ihre Rippen und ihr Husten bereiteten ihr zu große Qualen, als dass sie zu viel mehr imstande gewesen wäre, als sich selbst leidzutun.
Dann war sie plötzlich da. Die Gewissheit. Zusammen mit der Erinnerung daran, wie sie zum ersten Mal seine Stimme gehört hatte, als sie allein in dem kleinen Lager, das er aufgeschlagen hatte, aufgewacht war. Natürlich war es Wolf gewesen, der ihre Augen in Ordnung gebracht hatte, sodass sie wieder sehen konnte.
Aber Wolf war ein Menschenmagier. Der Sohn des ae’Magi. Und Menschenmagier mochten durchaus firm sein auf einigen Teilgebieten der Heilkunst – wie dem Flicken gebrochener Knochen zum Beispiel. Doch kein Menschenmagier der Welt hätte das Wunder an ihren Augen zu wirken vermocht.
Wolf behielt eine leichte Gangart bei, um ihr den Ritt so erträglich wie möglich zu machen. Jedes Mal, wenn sie husten musste, krallten sich ihre bebenden Hände in seine Mähne, sicheres Zeichen dafür, unter welchen Schmerzen sie litt, doch als er fragte, spielte sie es nur herunter. Während der Tag voranschritt, sackte sie auf seinem Rücken zusehends in sich zusammen und hustete immer öfter.
Was ihn jedoch weit mehr beunruhigte, war, dass sie nach diesem kurzen Wortwechsel überhaupt nichts mehr sagte. Normalerweise redete Aralorn immerzu.
Er trottete weiter, bis er es schließlich nicht mehr mit ansehen konnte. Und so machte er an einer
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